Kooperation Schule-Jugendhilfe: Strukturlösungen im Sozialraum am Beispiel der Familiengrundschulzentren

Dokumentation des Großstadtnetzwerks

Art:

Ort:
Online
Veranstaltung
via Teams
Datum: 
Mittwoch, 3. März 2021 - 10:00 bis Donnerstag, 4. März 2021 - 14:45
Bildung beginnt in der Familie – die familiäre Sozialisation hat einen bedeutenden Einfluss auf Leistungen und Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen. Um Kindern Bildungserfolge zu ermöglichen, ist es wichtig, dass Eltern und pädagogische Fachkräfte zusammenarbeiten. Ein innovativer Ansatz für die Förderung der Zusammenarbeit von Eltern und Schule sind die Familienzentren in Grundschulen.  
 
Auf kommunaler Ebene setzt das Konzept der Familiengrundschulzentren die Vertiefung von Kooperationsstrukturen zwischen Schule und Jugendhilfe sowie mit weiteren bildungsrelevanten Akteurinnen und Akteuren in der Verwaltung und im Sozialraum voraus.  Diese Themen standen im Mittelpunkt des digitalen Großstadtnetzwerks am 3. März 2021. Um die Familiengrundschulzentren vor Ort bestmöglich zu fördern, bedarf es einer kommunalen Koordinierung, eines gesamtstädtischen Konzepts, das übergreifende Entwicklungen aufnimmt, transferiert und begleitet. Im datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement (DKBM) werden Instrumente und Methoden bereitgestellt, die notwendige strategische Koordinations- und Planungsarbeit sowie Evaluationen und ein Monitoring übernehmen können. 

Zu Beginn beantworteten die Teilnehmenden die Frage, was es aus ihrer Sicht für eine gelingende Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe braucht: 

Abfrage gelungene Zusammenarbeit

Die Transferagentur für Großstädte näherte sich dem Thema „Kooperation Schule- Jugendhilfe: Strukturlösungen im Sozialraum am Beispiel der Familiengrundschulzentren“ aus wissenschaftlicher sowie kommunalpraktischer Perspektive.  

Wissenschaftlicher Impuls mit anschließender Diskussion

Schulen in herausfordernden Sozialräumen: Multiprofessionelle Kooperation als Grundlage für die Förderung von Kindern und Jugendlichen

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Institut Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen 

Frau Professorin Stöbe-Blossey nahm zu Beginn der Veranstaltung das Thema Kooperation Schule - Jugendhilfe aus wissenschaftlicher Perspektive in den Blick. Durch die Evaluation des Gelsenkirchener Vorhabens gemeinsam mit dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der UDE und der Beratungsgesellschaft KCR ist sie mit dem Konzept Familienzentren an Grundschulen vertraut. Sie beschreibt die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule als ein Spannungsfeld mit vielen Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen. Anhand des Schulgesetzes (des Landes NRW) und des SGB VIII legte sie die vielen Gemeinsamkeiten und Komplementaritäten dar. Es sei festzuhalten, dass Schule und Jugendhilfe nicht immer gleichberechtigt seien, sondern die Ziele im Vordergrund der Kooperation stünden, zu denen beide Bereiche unterschiedliche große Beiträge leisten. 

Insgesamt spiegeln sich die auf der Makroebene angelegten Spannungsfelder zwischen Schule und Jugendhilfe sowohl auf der Mesoebene in den Kommunen als auch auf der Mikroebene, also der direkten Arbeit: Unterschiedliche Leitbilder und mangelnde systematische Strukturen für Kommunikation stellen eine Herausforderung dar und können durch Interaktionsprozesse und Transparenz über die Arbeitsweisen verbessert werden.

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Institut Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen

In der anschließenden Diskussion tauschten sich die Teilnehmenden über die Wirkungsorientierung aus. Frau Stöbe-Blossey verdeutlichte, dass Wirkungsanalysen aktuell stark gefordert werden, aber nur begrenzt quantifizierbar seien. Vielmehr gehe es darum, Gespräche mit Akteur:innen und Teilnehmenden zu führen und daraus Hinweise auf die Wirkung abzuleiten. Wichtig sei es, das machte Frau Kleinau aus Gelsenkirchen deutlich, dass eine realistische Wirkungslogik entwickelt wird und die Bedarfe der Zielgruppe (Eltern, Kinder und Jugendlichen und nicht die Lehrer:innen) nicht aus dem Blick verloren werden. Erhoffte Effekte wie das Einsparen von Geldern oder Hilfen zur Erziehung, könnten durch eine Wirkungsanalyse kaum nachgewiesen werden. Vielmehr könne es durch niedrigschwellige Angebote und Beratungen der Familienzentren zu einer gegenteiligen Entwicklung kommen: Familien wissen nun um die Möglichkeiten von Unterstützung und nehmen diese vermehrt wahr.

Auf die Frage, ob auch baulich Grundschule, Kita und Familienzentrum zusammengedacht werden würden, konnte Frau Professorin Stöbe-Blossey auf das Krefelder „Haus der Bildung“ verweisen. Die Transferagentur Nordrhein-Westfalen berichtete darüber in einem Interview mit Markus Schön, Dezernent für Bildung, Jugend, Sport, Migration und Integration und Katrin Weisker, Bildungsbüroleiterin (TRANSFERjournal 2/2019, S. 32 ff.)

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Kooperation Schule-Jugendhilfe, Frau Stöbe-Blossey (AT)

Video of Kooperation Schule-Jugendhilfe, Frau Stöbe-Blossey (AT)

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Weiterführende Links und Literatur 
 
Born, Andreas; Klaudy, E. Katharina; Micheel, Brigitte; Risse Thomas und Stöbe-Blossey, Sybille (Hrsg.): Familienzentren an Grundschulen. Abschlussbericht zur Evaluation in Gelsenkirchen. IAQ-Forschung 2019-04
 
Stöbe-Blossey, Sybille; Hagemann, Linda; Klaudy, E. Katharina; Micheel, Brigitte; Nieding, Iris unter Mitarbeit von Rohling, Isabell und Thul, Vincent Abschlussbericht „Evaluation Familienzentren NRW“
 
 
 

Blick in die Praxis I 

Die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe am Beispiel des Aufbaus von Familienzentren in Grundschulen in Gelsenkirchen

Eva Kleinau, Leitung der Abteilung Jugendhilfe-Schule im Referat Kinder, Jugend und Familien, Stadt Gelsenkirchen sowie im Gespräch Franziska Thomas, Senior Projektmanagerin Kommune, Wübben Stiftung

Die Stadt Gelsenkirchen definiert Familienzentren in Grundschulen als „vielfältige Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote. Die Familienzentren verfolgen dabei das Ziel, Chancengleichheit herzustellen und herkunftsbedingte Bildungsungleichheit zu reduzieren.“ Als niedrigschwellige sozialräumliche Knotenpunkte und Anlaufstellen unterstützen sie Familien mit Grundschulkindern. Seit 2014 verfolgt die Stadt Gelsenkirchen mit Unterstützung der Wübben Stiftung als landesweit erste Kommune den Ansatz der Familiengrundschulzentren auf Grundlage von Familienzentren in Kitas. 

Wenn sie mich fragen, was es braucht, sind das Rückhalt und eine Strategie. Es muss gewollt und gewünscht sein. Rollenklarheit sowie Transparenz und Partizipation sind wichtig. Außerdem braucht es Mut, Geduld und Zeit. Eine Streitkultur und die Fähigkeit, Prozesse aushalten zu können sind ebenso wichtig wie die Erlaubnis, sich auch mal zu verirren. Was man am Anfang investiert, zahlt sich am Ende aus.

Eva Kleinau, Leitung der Abteilung Jugendhilfe-Schule im Referat Kinder, Jugend und Familien, Stadt Gelsenkirchen

Maßgeblich für die Kooperation zwischen Kommune und Stiftung ist das Prinzip der Augenhöhe. Es braucht viel Zeit am Anfang, Anpassungsbereitschaft beiderseits, gegenseitige Achtung der Kompetenzen und Fehlerkultur: Sackgassen in einem Pilotprojekt sind auch eine Erkenntnis, die man gemeinsam mit Projektpartner:innen begeht und daran lernt.

Franziska Thomas, Senior Projektmanagerin Kommune, Wübben Stiftung

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Kooperation Schule-Jugendhilfe, Frau Kleinau (AT)

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Weiterführende Links und Literatur 
 
Onlinepräsenz Familienzentren Gelsenkirchen (u.a. auch der Abschlussbericht)  
 
 

Blick in die Praxis II 

Die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe unterstützt durch das DKBM am Beispiel Familiengrundschulzentren in Mönchengladbach

Annika Ahrens, Leitung HOME, Familiengrundschulzentren, PAENZ und Cora Alyassin, Leitung Regionales Bildungsbüro, Stadt Mönchengladbach

Seit 2015 begleitet die Transferagentur die Stadt Mönchengladbach beim Aufbau und der Weiterentwicklung eines DKBMs, das mitunter auf verbesserte Strukturen und Abstimmungsprozesse zwischen den internen Akteurinnen und Akteuren in der Verwaltung abzielt. Ein wesentliches Element ist dabei das Schnittstellenmanagement zwischen Jugend und Schule. Die Familiengrundschulzentren werden seit 2019 in Mönchengladbach Schritt für Schritt an neun Standorten ausgebaut. 

Es bedarf einer Art Streitkultur und eines ehrlichen Gesprächs, denn man will niemandem etwas aufdrücken. Aber ich kann sagen, dass alle sehr offen in den Prozess gehen und sich auf die Arbeit einlassen. Unsere Kooperation im Rahmen der Familiengrundschulzentren gilt bei uns schon als Pilot für neue Projekte, da die bereits bestehende Kommunikation und Zusammenarbeit genutzt werden kann.

Cora Alyassin, Leitung Regionales Bildungsbüro, Stadt Mönchengladbach

Video-Statement von Annika Ahrens und Cora Alyassin

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Kooperation Schule-Jugendhilfe, Frau Alyassin, Frau Ahrens (AT)

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Alles eine Frage der Haltung 

Alle Referentinnen waren sich darüber einig, dass es für eine gelungene interne, aber auch externe Kooperation einen Prozess auf Augenhöhe braucht, viel Zeit für Gespräche, besonders am Anfang, beidseitige Anpassungsbereitschaft, eine Fehlerkultur und dass die Systemlogiken des anderen erfasst sowie die Kompetenzen wertgeschätzt werden müssen. Frau Thomas von der Wübben Stiftung plädierte für eine Fehlerkultur und ein „Out of the Box- Denken, das Spaß macht, manchmal irritiert, aber immer etwas bringt.“ 

Das Großstadtnetzwerk der Transferagentur für Großstädte

Das Großstadtnetzwerk der Transferagentur für Großstädte ist ein bundesweites Netzwerk von Kommunen, die ein datenbasiertes kommunales Bildungsmanagement aufbauen und weiterentwickeln, um für aktuelle Herausforderungen im Bildungsbereich ressortübergreifende Lösungen zu erarbeiten. Die Treffen fördern den städteübergreifenden Praxis- und Erfahrungsaustausch und bieten die Zeit sowie einen vertraulichen Rahmen für kollegialen Austausch und Vernetzung. Zudem bietet es ein Forum, um Einblicke in gute Praxis vor Ort zu erhalten und Zukunftsthemen für das DKBM zu diskutieren. Ein Einstieg ins Großstadtnetzwerk ist jederzeit möglich. 
 
 
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