"Bildung urban. Städte gestalten Zukunft"

Statue mit Fernglas
Dokumentation der Jahrestagung 2017

Art:

Ort:
Umweltforum
Pufendorfstr. 11
10249 Berlin
Datum: 
Donnerstag, 7. September 2017 - 9:00 bis Samstag, 9. September 2017 - 11:45

Die Dynamik, mit der sich der gesellschaftliche Wandel aktuell vollzieht, politisch, kulturell und digital, beeinflusst unser aller Leben. Städte wachsen, werden vielfältiger und vernetzter. Die Herausforderungen an Städte als zentrale Bildungsorte wandeln sich und werden komplexer. Neue Wege der Zusammenarbeit und Lösungen sind gefragt, damit Städte ihrer Funktion als Lebens-, Kultur- und Bildungsort für alle Kinder und Jugendlichen gerecht werden können.

Ziel der Jahrestagung der Transferagentur für Großstädte war es, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen für den Bildungsbereich in den drei Schwerpunktthemen Diversität, Kooperation und Stadtentwicklung zu diskutieren.

In diskursiven Formaten wie Wortwechsel und Salons wurden am ersten Tag Zukunftsfragen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Am zweiten Tag im Großstadtnetzwerk lag der Fokus auf dem Arbeitsalltag in den Kommunen. Innovative kommunale Beispiele wurden vorgestellt und es gab die Möglichkeit, wegweisende Methoden kennenzulernen und auszuprobieren.
 

Donnerstag, 7. September 2017, 11:00 bis 17:30 Uhr

BEGRÜßUNG UND ERÖFFNUNGSGESPRÄCH

  • Kornelia Haugg, Abteilungsleiterin Berufliche Bildung, Lebenslanges Lernen, Bundesministerium für Bildung und Forschung
  • Klaus Hebborn, Beigeordneter des Deutschen Städtetags
  • Dr. Heike Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung

„Die Arbeit der Transferagentur für Großstädte sorgt dafür, dass sich die Perspektive erweitert.“ So bewertete eine Teilnehmerin aus dem Plenum die Zusammenarbeit mit der Transferagentur mit Blick auf die vergangenen drei Jahre. Mit diesem Meinungsbild eröffnete Moderatorin Miriam Janke die diesjährige Jahrestagung zum Thema „Bildung urban. Städte gestalten Zukunft“.

Im anschließenden Eröffnungsgespräch diskutierten Kornelia Haugg, Abteilungsleiterin für Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Klaus Hebborn, Beigeordneter des Deutschen Städtetags, und Dr. Heike Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung Fragen rund um die Zukunft der Bildung in Großstädten. Dabei lobte Kornelia Haugg nicht nur die „phänomenale“ Entwicklung der Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement und das Engagement der Kommunen, sie definierte auch die Hauptüberschrift für die kommende Förderphase: Qualität. Klaus Hebborn zeichnete ebenfalls ein positives Bild der bereits erreichten Strukturen, die eine gute Grundlage für langfristig angelegtes Arbeiten seien. Mit ihrem Blick in die Zukunft von Städten, hob Heike Kahl drei wichtige Punkte hervor: die Notwendigkeit stärkerer Kollaboration, die Möglichkeit, den Zustand der Unsicherheit produktiv zu gestalten und trotz aller Begrenzungen Wege für Kreativität zu finden.
 

CHAT DER ZUKUNFT

„Abgucken ist erlaubt im kommunalen Bildungsmanagement.“

KEYNOTE
Jugend in der Großstadt ermöglichen. Stadtteile als junge Bildungs- und Beteiligungsräume
Prof. Dr. Stephan Maykus, Hochschule Osnabrück und Sachverständiger der Kommission des 15. Kinder- und Jugendberichts

„Jugendliche haben eine hohe Demokratieorientierung, ihre Vorstellungen von Teilhabe werden aber oft enttäuscht“, sagt Prof. Dr. Stephan Maykus. In seiner Keynote, mit der er die Jahrestagung inhaltlich eröffnete, erläuterte Prof. Maykus u. a. auf Grundlage des 15. Kinder- und Jugendberichts die Themen und Herausforderungen, mit denen sich Kinder und Jugendliche in ihrer täglichen Lebenswelt beschäftigen. Im Fokus standen dabei unter anderem Aspekte der Partizipation und der Digitalisierung. Sowohl der Bericht, als auch Prof. Dr. Maykus halten dabei ein Plädoyer für eine neue Jugendorientierung. Dem Kommunalen Bildungsmanagement sprach Maykus die Rolle zu, dafür zu sorgen, dass Kommunen nicht mehr nur als Verwaltung fungieren, sondern vielmehr als „Arena öffentlicher Beteiligung“ genutzt werden.

Video

Prof. Dr. Stephan Maykus - Jugend in der Großstadt ermöglichen

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WORTWECHSEL
Die Stadt der Zukunft ist divers und inklusiv. Wie gelingt der Perspektivwechsel auf allen Ebenen?

  • Gari Pavkovic, Leiter Abteilung Integrationspolitik, Landeshauptstadt Stuttgart
  • Prof. Dr. Paul Mecheril, Center of Migration, Education and Cultural Studies, Carl von Ossietzy Universität Oldenburg
     

Große Städte versprechen unbegrenzte Möglichkeiten, doch nach wie vor entscheiden Herkunft, Wohnort und soziale Lage über Bildungserfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Damit sich das ändert, brauchen wir Strategien, die Vielfalt anerkennen und nutzen. Doch was heißt das konkret? Darüber sprachen Gari Pavkovic, Leiter der Abteilung Integrationspolitik der Landeshauptstadt Stuttgart, und Paul Mecheril, Professor für Migration und Bildung am Institut für Pädagogik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Eine kommunale Diversitätspolitik nehme die gesamte Stadtgesellschaft in den Blick, betonte Gari Pavkovic. Das Konzept „Integration – der Stuttgarter Weg“ setze dafür auf aktive gesellschaftliche Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger. In seinem Input riet Pavkovic, den Blick jedoch nach innen, auf die eigenen Strukturen, zu richten. „Ein Team nur mit Abwehrspielern ist nicht erfolgreich. Das gilt für einen Fußballverein genauso wie für eine kommunale Ausländerbehörde oder eine Schule“, so Pavkovic.

Migrationsbewegungen stark wie nie

Professor Paul Mecheril plädierte in seinem Statement für eine Verortung im globalen Kontext. „Städte waren historisch schon immer Orte der Migration. Städte sind per se Migrationsorte, sie werden durch Migration geschaffen“, so Mecheril. Aber: Es habe weltweit noch nie so viele Migrationsbewegungen gegeben. Deutschland befinde sich in einer „Epoche der globalen Migration“. Auch die Digitalisierung führe zu einem neuen Verhältnis von Zeit und Raum. Die Entwicklungen veränderten nicht nur die gesellschaftliche Zusammensetzung vor Ort, sondern sie forderten auch ein neues Verständnis von Räumen der Begegnung und neuen Formen der Solidarität. „Der Schlüssel für den Perspektivwechsel ist ein neues Verständnis davon, was es heißt, gebildet zu sein“, so Prof. Dr. Paul Mecheril.

Beide waren sich einig: Es braucht eine selbstreflexive Haltung – als Individuum, Organisation oder Staat.

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Gari Pavkovic und Prof. Dr. Paul Mecheril im Wortwechsel Teil 1/2

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Gari Pavkovic und Prof. Dr. Paul Mecheril im Wortwechsel Teil 2/2

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CHAT DER ZUKUNFT

„,Es müssen Räume geschaffen werden, in denen Fragen gestellt werden können (ohne zwangsweise die Antworten zu kennen)‘ Wie können wir als Bildungsakteure dazu beitragen, diese Räume zu schaffen? Wie konkret können diese Orte aussehen, ohne dass wir bereits mit vorgefertigten Formaten und inhaltlichen Ansätzen die Grundidee des offenen Raumes bereits wieder im Keim löschen?“

Parallele SALONS

SALON 1: „DIVERSITÄT UND BILDUNG“
Von der Minderheitenförderung zu Fragen des institutionellen Lernens – Perspektivwechsel am Beispiel von vier kommunalen Schaltstellen

  • Nina Rehberg, Dienststelle Diversity, Stadt Köln
  • Linda Steger, Stabsstelle Freiburger Bildungsmanagement
  • Ulrike Kloiber und Annette Berg, Bildungshaus Lurup, Hamburg
  • Usama Abdurahman, Jugendmigrationsbeirat Berlin
     

Die Bildungsstadt der Zukunft ist divers und inklusiv. An dieser Vision wird in den Kommunen an vielen Schaltstellen gearbeitet, in den Bildungseinrichtungen, in der Kommunalverwaltung und in bürgerschaftlichen Initiativen. Im Salon berichteten vier Städte von ihren Erfahrungen. Überall geht es darum, die eigene gewohnte Praxis in Frage zu stellen und sich auf Veränderungsprozesse einzulassen, die einen Perspektivenwechsel vom Integrations- zum Diversitätsparadigma verfolgen.

Linda Steger, stellvertretende Leiterin der Stabsstelle Bildungsmanagement der Stadt Freiburg, stellte das kommunale Gesamtkonzept „Durchgängige Sprachbildung“ vor. Das Konzept wurde dezernatsübergreifend entwickelt und setzt auf Reflexions- und Entwicklungsräume für alle beteiligten Ebenen. Angefangen bei Leitungen der Politik und Verwaltung bis hin zu den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Sozialraum: Alle arbeiten in verschiedenen Formaten gemeinsam daran, die Bildungsprozesse von der Wirkung aus zu betrachten und die Angebote danach auszurichten. Die Erfahrungen in Freiburg zeigen, wie durch partizipative und wirkungsorientierte Qualitätsentwicklungsmethoden ein Haltungswechsel ermöglicht wird. Freiburg blickt bereits auf einen zehnjährigen Prozess zurück. Im Prozess werden Erfahrungen aus Modellstadtteilen auf die gesamte Stadt transferiert und dabei der Fokus von frühkindlichen Bildungsprozessen und dem Übergang Kita – Grundschule auf die gesamte Biografie erweitert.

Nach Perspektivwechsel veränderte Ressourcensteuerung möglich

Das zweite Beispiel des Salons zeigte den Verbund der beiden benachbarten Institutionen der Kita Moorwisch und der Grundschule Langbargheide, das Bildungshaus Lurup in Hamburg-Altona. Der Verbund setzt ein anspruchsvolles Inklusionskonzept um. Das Bildungshaus grenzt unmittelbar an ein sogenanntes Brennpunktquartier, den Lurup-Lüdersring. Ulrike Kloiber und Annette Berg, die beiden Einrichtungsleiterinnen, berichteten von der veränderten Praxis vor Ort. Die Ressourcen beider Häuser werden vielfach gemeinsam gesteuert, Räume und Ausstattung beider Institutionen werden flexibel genutzt. Multiprofessionelle Teams aus Kita- und Grundschulfachkräften setzen gemeinsame Konzepte der Sprachbildung, des Seiteneinstiegs neuzugewanderter Kinder in Kita und Grundschule oder der Zusammenarbeit mit Eltern um. Die langfristige und tagesaktuelle Planung erfolgt durch eine gemeinsame Steuergruppe.
Ein neues Führungsverständnis in den Bildungseinrichtungen ist der Schlüssel für eine veränderte Praxis. Ist der Perspektivwechsel vollzogen, wird veränderte Ressourcensteuerung möglich. Kommunen können von der Strategieentwicklung solcher Bildungsverbünde vieles lernen.

Nina Rehberg, Leiterin der Dienststelle Diversity der Stadt Köln, setzt den Fokus auf eine gesamtstädtische Diversity-Strategie und berichtete über ein Change-Management in den kommunalen Ämtern und Behörden: Die Stadt Köln hat als erste Stadt bundesweit im Jahr 2007 die Charta der Vielfalt unterzeichnet und sich damit verpflichtet, eine respektvolle, wertschätzende und vorurteilsfreie Verwaltungskultur zu schaffen. Kurz darauf, im Jahr 2010, wurde im Rat beschlossen, ein städtisches Diversity-Konzept zu erstellen. Drei Jahre später wurden die Beauftragten und die Fachstelle Behindertenpolitik, die Beauftragten der Fachstelle Lesben, Schwule und Transgender sowie das Kommunale Integrationszentrum unter dem Dach der Dienststelle Diversity im Dezernat V Soziales, Integration und Umwelt zusammengeführt. Im Jahr 2015 wurde ein ressortübergreifender Diversity-Arbeitskreis auf Amtsleitungsebene gegründet.
Die Einrichtung der Dienststelle Diversity hat sich bewährt: Kolleginnen und Kollegen, die die verschiedenen Gleichstellungspolitiken bearbeiten, haben begonnen, Schnittstellen zu entwickeln. Die zielgruppenspezifischen Angebote werden sukzessiv zugunsten übergreifender Angebote zurückgefahren. Diversity wird in seiner Gesamtheit diskutiert, strukturiert und als gemeinsame Aufgabe und Strategie bearbeitet. Die anfängliche Befürchtung von Bedeutungsverlust des eigenen Themas werden langsam durch den Mehrwert ersetzt, Querschnittsthemen gemeinsam anzugehen.

Reflexive Haltung aller Akteure notwendig

Das vierte Beispiel griff das Thema einer diversitätsbewussten und damit zukunftsgerechten Jugendbeteiligung auf. Hier berichtete Patrick Bieler, Mitglied im Rat der Sprecherinnen und Sprecher des Jugendmigrationsbeirats Berlin, über die dafür notwendigen neuen Strukturen und Formate. Der Beirat wurde mit Unterstützung des Landesjugendrings Berlin 2016 gegründet und wird vom Berliner Senat gefördert. Er ist ein Zusammenschluss von neun Berliner Jugendverbänden und -initiativen, deren Mitglieder mehrheitlich junge Menschen mit eigener oder familiärer Migrationsgeschichte sind und sich für deren Interessen einsetzen. Die Mitgliedsorganisationen sind sehr heterogen, haben aber eines gemeinsam: Erfahrungen mit herkunftsbedingter Diskriminierung. Bisher fehlte in Berlin eine Schnittstelle zwischen Jugend und Migration. Der Beirat bietet dem Berliner Senat nun einen einheitlichen Ansprechpartner. Schwerpunkte der Arbeit sind die Mobilisierung für Beteiligung und die Lobbyarbeit mit Akteuren aus der Landespolitik, z.B. mithilfe der Jugendkongresse – 2016 unter dem Motto “…hintergrund? Nein, Danke!“ und stattdessen der Frage: „Wohin willst du?“

Die Diskussionen machten deutlich, wie vielschichtig der geforderte Perspektivwechsel ist. Es geht nicht allein um die Fragen der Diversität , sondern insgesamt um die Fragen der globalen Ungleichheiten und der sozialen Segregation in der Stadt. Voraussetzung für Veränderung ist eine reflexive Haltung in den Bildungseinrichtungen, in Verwaltung und Politik: Sind wir auf eine zunehmend diverse Stadtbevölkerung eingestellt? Haben wir die Mechanismen sozialer Exklusion und Inklusion im Blick? Doch Haltungen lassen sich nicht verordnen. Ein kommunales Bildungsmanagement kann institutionelles Lernen fördern, indem es Reflexionsräume zur Verfügung stellt. Was es bedeutet, Kinder und Jugendliche, Bürgerinnen und Bürger dabei konsequent in den Mittelpunkt zu stellen, zeigt sich am Beispiel lokaler Bildungsverbünde, im klassischen Diversity Management in Verwaltung und in der Diskussion mit Jugendselbstorganisationen.

CHAT DER ZUKUNFT

„Vielfalt anerkennen und vorleben heißt auch, Fremdheit ‚aushalten‘ zu können und Widersprüche zuzulassen. Der Dialog darüber darf aber nicht abbrechen. Es braucht eine echte Debatte und Räume, diese Debatte zu führen.“

SALON 2: STADTENTWICKLUNG UND BILDUNG
Von benachteiligten zu inklusiven Bildungsquartieren – Wie kann die Stadt der Zukunft überall gute Bildung bieten?

  • Sascha Wenzel, Freudenberg Stiftung Weinheim
  • Stefan Geiss, Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung der Stadt Leipzig
  • Ute Löhning, Elterninitiative
     

In vielen Großstädten wächst die Kluft zwischen sogenannten Brennpunkten und wohlhabenden Stadtteilen – und mit ihr die Bildungssegregation. Vor diesem Hintergrund diskutierten drei Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Perspektiven, wie dennoch in allen Stadtteilen gute Bildungschancen ermöglicht werden können – und wie Bildung und Stadtentwicklung dazu zusammenarbeiten müssen.

Die Stadtentwicklung, so Stefan Geiss vom Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung der Stadt Leipzig könne durch die Gestaltung innovativer und hochwertiger Bildungsorte zu mehr Qualität in benachteiligten Stadtteilen beitragen. In Leipzig wird dies aktiv vorangetrieben und Bildung und Stadtentwicklung arbeiten vernetzt zusammen. Dabei spielt die Beteiligung der Bewohnerschaft eine entscheidende Rolle. Zudem brauche es für solche Querschnittsaufgaben ein klares Mandat und ein gemeinsames Zielverständnis – denn abseits vom Mainstream zu arbeiten, sei für alle anderen zunächst mühselig, so Geiss. 

Problemwahrnehmung und Zielorientierung im Sozialraum

Sascha Wenzel hat sich als Programmleitung und pädagogischer Koordinator auf dem Campus Rütli in Berlin Neukölln intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich Bildungsbedingungen in Stadtteilen verändern lassen. Er zeigte auf, dass gerade in sozial unter Druck stehenden Nachbarschaften die Qualitätsverbesserung der Bildungslandschaft eine ganz entscheidende Rolle spiele. Dazu müssten Strukturen zur ressortübergreifenden Problemwahrnehmung und Zielorientierung entwickelt und Lösungskompetenzen im Sozialraum wie in Verwaltungen in einem Gegenstromprinzip gestärkt werden.

Ute Löhning berichtete von ihren Erfahrungen aus der Arbeit einer Elterninitiative, die sich für die Einrichtung einer Oberstufe erfolgreich eingesetzt hat. Dabei verdeutlichte sie die wichtige Rolle von Elternengagement, mahnte jedoch gleichzeitig an, dieses nicht überzustrapazieren: Die Qualität und Entwicklung von Bildungseinrichtungen dürfe letztendlich nicht von den Eltern abhängen. 

Planung- und Beteiligungsprozesse von hoher Relevanz

In der anschließenden Diskussion betonten Referierende und Teilnehmende, dass gerade in benachteiligten Quartieren die Bildungsqualität baulich und konzeptionell gestärkt werden muss. Denn als „Ankunftsorte“ von Migrationsbewegungen übernehmen diese Quartiere wichtige Funktionen in der Stadt. Dabei geht es nicht nur um Schule, sondern auch um non-formale und informelle Lernräume. Damit dies gelingt, braucht es integrierte Planungsprozesse auf Seiten der Verwaltung ebenso wie gut moderierte Beteiligungsprozesse auf Quartiersebene. Bei beiden Aspekten kann die „Stadtentwicklung ein Motor für Veränderung“ sein, wie es Sascha Wenzel formulierte. Wenn Bildungsorte attraktiv werden, gilt es dann, auch mit Verteilungskämpfen umzugehen, um die Verdrängung von sozial-benachteiligten Gruppen zu verhindern. Starke Netzwerke können Verteilungskämpfe in der Bildung verhindern. „Es braucht belastbare Netzwerke vor Ort. Diese können durch Stiftungen angestoßen und unterstützt, aber nicht langfristig getragen werden. Dafür braucht es den Willen und die Energie aus dem Quartier“, so Wenzel.

SALON 3: KOOPERATION ZWISCHEN KOMMUNE UND ZIVILGESELLSCHAFT
Zivilgesellschaft als starker Partner – Wie die Stadt der Zukunft Bildung beteiligungsorientiert gestaltet

  • Ines Heuschkel, Netzwerk KuBis, Bildungsbüro der StädteRegion Aachen
  • Jutta Kröhnert, Aachener Kultur- und Theaterinitiative AKuT e.V.
  • Eva Randelzhofer, Kulturagenten für kreative Schulen Berlin, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
  • Kerstin Hübner, BKJ Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.
     

Es sind neue Wege der Zusammenarbeit und beteiligungsorientierte Lösungsansätze gefragt, damit Städte ihrer Funktion als Lebens-, Kultur- und Bildungsort gerecht werden können. Zukunftsorientierte Bildungskonzepte zeichnen sich dadurch aus, dass Verantwortungsgemeinschaften quer zu den einzelnen kommunalen Zuständigkeiten entstehen und lokale Bildungspartner sowie zivilgesellschaftliche Akteure strategisch eingebunden werden.
Im Salon „Kooperation Kommune und Zivilgesellschaft“ wurde am Beispiel der kulturellen Bildung aufgezeigt, welche Formen der Zusammenarbeit zwischen Kommune und Zivilgesellschaft sowohl gesamtstädtisch als auch sozialräumlich existieren. Außerdem wurde darüber diskutiert, welche Schritte auf dem Weg zu einer partizipativen Bildungsstadt der Zukunft gegangen werden müssen.

Kulturelle Bildung als Querschnittsaufgabe

Die StädteRegion Aachen versteht kulturelle Bildung als eine wichtige Querschnittsaufgabe und setzt auf verbindliche Netzwerkstrukturen. Bei der Weiterentwicklung der Strukturen und Konzepte im Bereich der kulturellen Bildung verfolgt Aachen einen partizipatorischen Ansatz, in dem die Bedarfe und Ressourcen der zivilgesellschaftlichen Akteure breit abgefragt und die Auswahl der Delegierten in die entsprechenden Gremien den Akteuren selbst überlassen wird. Dieser Ansatz, so Ines Heuschkel, fördere die Motivation für eine aktive Mitarbeit in dem Netzwerk. Auch die Jugendbeteiligung wird in Aachen großgeschrieben: Einige der Sitze in der Steuerungsgruppe Kulturelle Bildung sind für Jugendliche, die ein freiwilliges soziales Jahr im Bildungsbüro absolvieren, reserviert. Laut Heuschkel profitiere die StädteRegion Aachen von der Beteiligung verschiedener Akteure und der Netzwerkarbeit im Bereich der kulturellen Bildung in vielerlei Hinsicht, u.a. können neue Fördergelder generiert, neue Zielgruppen erschlossen sowie innovative Formate und Ansätze ausgetauscht werden: „Wir müssen mit unseren Strukturen innerhalb der Verwaltung flexibel bleiben, denn auch das Thema kulturelle Bildung ist ein flexibles Thema“, so Ines Heuschkel.

Wertvolle Impulse von außen

Den Mehrwehrt des Netzwerkes auf Seiten der Zivilgesellschaft sieht Jutta Kröhnert darüber hinaus in der Erweiterung des Handlungsspielraumes einzelner Akteure. Der Austausch mit potenziellen Kunden und die Übersicht über das bestehende Angebot trage dazu bei, dass neue Handlungsfelder erschlossen und lokale Künstlerinnen und Künstler in Arbeit gebracht werden. Zentrale Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit sei dabei das Agieren auf Augenhöhe sowie die Anerkennung und Wertschätzung der Kulturszene seitens der Verwaltung.

Um Schulen und zivilgesellschaftliche Akteure an einen Tisch zu bringen, braucht es laut Eva Randlzhofer häufig einen ersten Impuls von außen. Die Vorteile einer Kooperation müssen für beide Partner ersichtlich gemacht und gegenseitige Vorurteile abgebaut werden. Eine vermittelnde Instanz kann dabei sowohl als Antrieb als auch als Motor für das Kooperationsvorhaben fungieren. Solch eine Mittlerposition gilt es langfristig strukturell zu verankern, um die Kommunikations- und Abstimmungsprozesse nachhaltig zu etablieren.

Netzwerk- und Kooperationsstrukturen als wichtige Faktoren

Kerstin Hübner plädierte für eine konsequente Erweiterung der Perspektive von kommunalen Bildungslandschaften. Der informelle Bildungsbereich müsse im Sinne eines ganzheitlichen Bildungs- und Kulturbegriffs über Fragen der formalen Qualifizierung hinaus stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Dies sei sowohl Aufgabe der Verwaltung als auch der Akteure im Kulturbereich, die sich wieder stärker auf den Ansatz des Empowerments rückbesinnen sollten. 

Die Teilnehmenden waren sich darin einig, dass Netzwerke zukünftig immer wichtiger sein werden. Viele Kommunen stünden beim Thema Kooperationsstrukturen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren jedoch immer noch am Anfang. Darüber hinaus wurde im Hinblick auf die Etablierung von nachhaltigen Strukturen die Elternbeteiligung als relevantes Thema für die Zusammenarbeit zwischen verwaltungsexternen und -internen Akteuren identifiziert.
 

Weiterführende Links:

KuBiS: Übersicht aktueller Fördermöglichkeiten und Wettbewerbe in der kulturellen Bildung (PDF)
Kulturelle Bildung in der StädteRegion Aachen: Gesamtkonzept (PDF)
Empfehlungen zur Gestaltung von Kooperationen für KünstlerInnen sowie Bildungs- und Kultureinrichtungen (PDF)
Jugendpartizipation
KuBiS-Konferenz zum Thema „Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen“

CHAT DER ZUKUNFT

„Wichtig für die Stadt und Gesellschaft der Zukunft wird sein, inwieweit wir in der Lage sind zu lernen – und zwar miteinander – auch unter Bedingungen von Unsicherheit.“

Freitag, 8. September 2017, 9:30 bis 13:30 Uhr

Der zweite Tag der Jahrestagung der Transferagentur für Großstädte startete mit einem Wortwechsel:

WORTWECHSEL
Die Stadt der Zukunft braucht neue Bildungsorte. Wie können wir diese schon heute gestalten?

  • Prof. Dr.-Ing. Angela Million, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Technische Universität Berlin
  • Eduard Heußen, Schulentwicklungs- und Organisationsberater, Leiter der Projektgruppe zur Entwicklung des Campus Efeuweg
     

Es müsse sich lohnen, an einen Bildungsort zu kommen, so Prof. Dr.-Ing. Angela Millions Position im Wortwechsel mit Schulentwicklungs- und Organisationsberater Eduard Heußen. Allerdings sagt sie auch: "Wir dürfen den Raum nicht zu sehr pädagogisieren. Es muss möglich sein, ihn sich als Nutzer selbst anzueignen."  In der wachsenden Stadt brauche es Schulen, die vielfältig, offen, multifunktional und anpassungsfähig sind, eine wertschätzende Atmosphäre bieten und gut vernetzt arbeiten. Dabei müsse der Rückbau ebenso einkalkuliert sein wie der Weiterbau. Für die Zukunft der Schule eröffnen sich zwei Entwicklungsperspektiven: Der Campus als Bildungsort und das Stadtquartier als Bildungslandschaft.

Kreative Visionen für einen Bildungsort für alle

Dass der Campus als offener und multifunktionaler Bildungsort schon heute entwickelt werden kann, zeigte Eduard Heußen am Beispiel des Campus Efeuweg in Berlin Neukölln. Der Campus entsteht heute als Bildungsort für Schülerinnen und Schüler, Eltern, aber auch für die übrigen Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers. „Um Dinge anders zu machen, muss man sich auf die Perspektiven der anderen einlassen“, erklärt Eduard Heußen. Damit diese Entwicklung auch gelingt, brauche es ein kommunales Handeln in Verantwortungsgemeinschaft, so Heußen: im Sinne der ressortübergreifenden Zusammenarbeit, mit Einbindung kreativer Visionen jenseits von Verwaltung und einem verlässlichen Rahmen sowie Zeit für die Beteiligung der Akteure vor Ort.

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Prof. Dr.-Ing. Angela Million und Prof. Eduard Heußen im Wortwechsel Teil 1/2

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Prof. Dr.-Ing. Angela Million und Prof. Eduard Heußen im Wortwechsel Teil 2/2

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Parallele WORKSHOPS:

WORKSHOP 1:

Neue Bildungsorte gemeinsam gestalten – Das Beispiel Campus Efeuweg

Im Süden von Berlin-Neukölln entsteht mit dem Campus Efeuweg ein Bildungsort, der zu besseren Bildungschancen in einer sozial benachteiligten Hochhaussiedlung beitragen soll. Dazu werden der Stadtteil und die Einrichtungen vor Ort baulich und pädagogisch verzahnt und eine kontinuierliche Bildungsbiografie von der Kita bis zum Abitur und zum Beruf ermöglicht. Dies erfordert das Zusammenwirken zahlreicher Akteure in Verwaltung und darüber hinaus sowie die Beteiligung der Bewohnerschaft. Die Kernherausforderung besteht darin, innerhalb bestehender Strukturen integriert zu arbeiten. Im Mittelpunkt des Workshops stand die Frage: Welche Stellschrauben gibt es, um einen solchen Prozess erfolgreich zu gestalten?

WORKSHOP 2:

Stadtentwicklung diversitätsbewusst – Osnabrücks Zukunft kennt keine Herkunft

Osnabrück hat sich zum Ziel gesetzt, Zugewanderte stärker in die Stadtentwicklung einzubinden und ihre Kompetenzen für die gesellschaftliche, bauliche und wirtschaftliche Entwicklung Osnabrücks zu aktivieren. Dies gilt auch für den Bildungsbereich. Im Rahmen des Workshops hat die Integrationsbeauftragte der Stadt Osnabrück Seda Rass-Turgut von der Zusammenarbeit an der Achse Integration und Stadtentwicklung berichtet und über das Pilotprojekt „Gestalte deine Zukunft“ informiert, für das die Stadt eine Förderung bis 2019 erhält. Im Projekt geht es u. a. darum, zeitgemäße und zielgruppengerechte Formen der Beteiligung zu erarbeiten und zu erproben, die für Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund interessant sind.

WORKSHOP 3:

Lernende Stadt Gelsenkirchen – Zukunft gestalten durch Partizipation

Die Anforderungen an Städte als zentrale Bildungsorte wandeln sich und werden komplexer: Neue Wege der Zusammenarbeit und Lösungen sind gefragt, damit Städte ihrer Funktion als Lebens-, Kultur- und Bildungsort für alle gerecht werden können. Dabei spielt die Zivilgesellschaft eine große Rolle. Doch wie kann die Zivilgesellschaft aktiv in die Gestaltung der Stadt eingebunden werden, ohne dabei vorgeschriebene politische Entscheidungsprozesse berücksichtigen zu müssen? Wie können niedrigschwellige Möglichkeiten des Mitmachens geschaffen werden? Wie können die Menschen, Vereine und Initiativen vor Ort motiviert und gefördert werden, ihren Beitrag zu leisten und damit eine gesamtstädtische Dynamik erzeugen?

WORKSHOP 4:

Wirkungsvolle Bildungskonferenzen – Im kommunalen Bildungsmanagement Beteiligung gestalten

Vor dem Hintergrund des steten Bedeutungsgewinn von Beteiligungsprozessen bei der Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften beschäftigte sich dieser Workshop mit der Frage, wie Bildungskonferenzen wirkungsvoll ausgerichtet werden können.

WORKSHOP 5:

Datenbasierung in der Bildungsstadt der Zukunft – Diversität abbilden

Prognosen verlauten: Im Jahr 2030 wird jeder sechste Mensch in einer Stadt leben. Die Migrationsbewegungen der vergangenen Jahre tragen zudem zu einer steigenden Vielfalt der Stadtgesellschaft bei. Zugänge zu Bildung und gesellschaftliche Teilhabe sind vor diesem Hintergrund zentrale Aspekte bei der Frage um die Beschaffenheit unseres zukünftigen Zusammenlebens im urbanen Raum. Dabei kommt der Datenbasierung im Kontext kommunaler Bildungssteuerung eine wichtige Rolle zu. Entscheidend ist hierbei die Frage, welche Informationen steuerungsrelevant sind und wie Kommunen diese Daten nutzen, etwa um Entscheidungen zu treffen oder Ressourcen zu verteilen. Die Teilnehmenden des Workshops diskutierten die Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Monitoring- und Berichtsystemen für die Steuerung von Integrations- und Bildungsprozessen in der Kommune.

WORKSHOP 6:

Die Bildungsstadt digital entwerfen – Minecraft als Tool der E-Partizipation

Im Workshop wurde Minecraft als Instrument digitaler Jugendbeteiligung in Kommunen vorgestellt. Die Teilnehmenden warfen dabei zunächst den Blick in die eigene Kommune bzw. Organisation und benannten eigene Anwendungskontexte. Die Leitfragen waren unter anderem: Wie wahrscheinlich ist es, dass wir ein solches Werkzeug in den nächsten Jahren anwenden? Worin sehen wir Chancen? Worin bestehen Hürden? Zudem lernten die Teilnehmenden spezifische organisatorische und technische Voraussetzungen von Minecraft kennen. Zur Unterstützung nahmen vier Jugendliche aktiv am Workshop teil und leiteten die restlichen Teilnehmenden beim Spielen an.

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Moderatorin Miriam Janke begrüßt die Teilnehmenden.
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Der Liedermacher Kay Behrendt stellt die Teilnehmenden auf Großstadtstimmung ein.
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Dr. Heike Kahl, Klaus Hebborn, Kornelia Haugg und Moderatorin Miriam Janke bei der Begrüßung.
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Prof. Dr. Stephan Maykus hält seine Keynote.
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Prof. Dr. Paul Mecheril im Wortwechsel mit...
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... Gari Pavkovic.
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Konzentrierte Arbeit im Salon Kooperation Kommune und Zivilgesellschaft
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10/18
Firas Alshater eröffnet mit seiner Lesung den zweiten Tag der Jahrestagung.
11/18
Urbanität und Bildung waren die Stichwörter der beiden Tage in Berlin.
12/18
Diesem Wortwechsel stellten sich Eduard Heußen (Mitte) und Prof. Dr.-Ing. Million (l.)
13/18
Im Workshop 6 ging es um das beliebte Jugendcomputerspiel "Minecraft".
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In den weiteren fünf Workshops wurde parallel gearbeitet.
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