Jahrestagung 2022

Dokumentation der Veranstaltung

Art:

Ort:
KINDL - Zentrum für zeitgenössische Kunst
Am Sudhaus 3
12053 Berlin
Datum: 
Dienstag, 18. Oktober 2022 (ganztägig)

„Gestärkt in die Zukunft – Was Kommunen aus Krisen lernen können“

Zur diesjährigen Jahrestagung begrüßt die Transferagentur für Großstädte (TAG) ihre Gäste im Berliner KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst. Zwischen Braukesseln und industriellen Überbleibseln wird es einen Tag darum gehen, wie Kommunen und Verwaltungen ihre Handlungsfähigkeit bewahren und zukunftssicher machen können. „Gestärkt in die Zukunft – Was Kommunen aus Krisen lernen können“ lautet der Titel der Veranstaltung Mitte Oktober. 

„Im Februar 2020 sahen wir uns alle das letzte Mal in Präsenz“, eröffnet Markus Lindner, Programmleitung der TAG. „Damals waren wir im Dortmunder U, übrigens auch eine ehemalige Brauerei. Das ist aber Zufall und hat keine dramaturgischen Gründe.“ 

Markus Lindner auf Jahrestagung TAG 2022
Markus Lindner
 
„In den letzten Jahren ist in Kommune und Verwaltung schon viel erreicht worden: Sie sind thematisch vielfältiger aufgestellt und arbeiten schon heute auf Grundlage von datenbasiertem kommunalen Bildungsmanagement (DKBM) effizienter und flexibler. Die Arbeitsweise, die das DKBM mit sich bringt, funktioniert eben nicht nur in der Bildung. Und doch: Kommunen sind nach wie vor stark gefordert. Neben ihren regulären Aufgaben müssen sie immer wieder Lösungen für lokale Herausforderungen finden und außerdem die Folgen (globaler) Krisen vor Ort bewältigen.“

 

Was kann Verwaltung aus Krisen lernen, war die erste Frage, der Speaker Prof. Dr. John Siegel (Professur für Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin) mit seinem Impuls nachging. Denn Krisen sind zum Dauerzustand der Verwaltung geworden: 

Prof. Dr. John Siegel auf Jahrestagung TAG 2022
Prof. Dr. John Siegel (links) mit Moderator Lukas Röber

„Verwaltungen können nicht nur aus bzw. in Krisen lernen, sondern sie lernen dann besonders viel und schnell, wenn auch unsystematisch. Verwaltungen vermeiden Veränderungen systematisch. So gibt es zum Beispiel kaum etablierte Routinen und Anreize zum Lernen und Selbstreflexion.“

„Die Reflexion und Steuerung lernender Verwaltungen sollte auf deren organisationale Fähigkeiten gerichtet sein – und nicht zuletzt auf die Lernfähigkeiten. Es braucht sechs Ansatzpunkte für organisationales Lernen: Personalentwicklung, Organisationsentwicklung, Wissensmanagement, Strategisches Management, Führung und Auditing.“

„Organisationales Lernen (nicht nur) in Verwaltung ist voraussetzungsvoll. Diese Voraussetzungen müssen bewusst geschaffen und aufrechterhalten werden. Ganz klar ist auch: Ohne überschüssige Ressourcen ist Lernen für die Mitarbeitenden nicht möglich.“

 

Im zweiten Impuls berichtet Dr. Alexandra Mittelstädt (V-BÜRO für Projekt- und Veränderungsmanagement beim Senator für Finanzen Bremen) von der qualitativen Studie, in der in Bremen die Erfahrungen aus Krisenstab und Impfkampagne ausgewertet und ein umfangreicher Katalog von Empfehlungen erarbeitet wurde. Dies bietet die Chance für einen Masterplan, der die öffentliche Verwaltung krisenresilienter machen könnte.

„Es zeigte sich sehr schnell, dass grundlegende Abläufe funktionieren müssen, um krisenfest zu sein. So berichteten es auch die befragten, verwaltungsinternen Personen: ‚Die Krise hat hervorgespült, wo es eh schon knirschte.‘ Es braucht also eine bessere, modernere Organisation der Verwaltung.“

„Bei der Bremer Impfkampagne haben wir einen projektorientierten Ansatz gewählt. So waren alle Beteiligten in erster Linie Fachleute für Projektmanagement und nicht Gesundheitsfachleute. Wir haben klare Leitziele benannt, z. B. alle Bürger:innen haben das Recht, geimpft zu werden und das Impfzentrum ist ein bürger:innenorientiertes Dienstleistungszentrum. Zudem wurde der Verlauf wöchentlich gemonitort und mögliche Entwicklungen und Probleme vorab besprochen. Die interne Kommunikation zu den bis zu 400 Mitarbeitenden wurde intensiv aufgebaut.“

 
Dr. Alexandra Mittelstädt, V-BÜRO für Projekt- und Veränderungsmanagement beim Senator für Finanzen Bremen

Lars Ruppel leitet den zweiten Teil des Tages mit seiner Poetischen Aktivierung ein. Hier geht's zum Mutmach-Gedicht zur Jahrestagung.

Lars Ruppel

Das anschließende Panel bietet drei Perspektiven auf Organisationales Lernen und Zukunftssicherheit von Kommunen. Im Gespräch mit Daniela Schneckenburger (Beigeordnete des Dt. Städtetags; Leiterin des Dezernats Bildung, Integration, Kultur, Sport und Gleichstellung), Heike Fleischmann (Abteilungsleiterin 40.4 Bildungsplanung/Schulentwicklung Stadt Mannheim) und Dr. Andrea Ruyter-Petznek (Bundesministerium für Bildung und Forschung, Leiterin des Referats „Bildung in Regionen; Bildung für nachhaltige Entwicklung“) geht es um die Bildungssituation in Großstädten und wie sich Bildungsverwaltung verändern müsste. 

Podiumsdiskussion bei Jahrestagung TAG 2022
Lukas Röber, Dr. Andrea Ruyter-Petznek, Daniela Schneckenburger, Heike Fleischmann und Katja Geerdes (v. l. n. r.)

Heike Feischmann
Heike Fleischmann

„Es hat sich viel bewegt, weil es nun unumgänglich war. Vorher war es zum Beispiel undenkbar, unmachbar, unmöglich und dann hatten plötzlich alle einen VPN-Tunnel und konnten von zuhause arbeiten.“

„Durch das DKBM gibt es bei uns Strukturen, die haben wir vor Jahren entwickelt und zehren dort heute noch von.“

Dr. Andrea Ruyter-Petznek
Dr. Andrea Ruyter-Petznek

 „Krise wird Normalfall bleiben. Allein der Klimawandel wird uns auf Trab halten.“

„Die Zivilgesellschaft ist stark in Erscheinung getreten und hat sehr viele Dinge in die Hand genommen.“

„Man muss erst einmal wissen, was Sache ist, man muss einen Plan machen und muss Mitstreitende aktivieren – all das ist Kern vom DKBM.“

Daniela Schneckenburger
Daniela Schneckenburger

„Die Zusammenarbeit muss dringend ausgeformt werden. Es braucht ein Ziel- und ein Lagebild, das geht nicht ohne Daten. Es braucht Kooperation, eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen, also auch auf Landes- und Bundesebene. Die Versäulung im Staatsaufbau muss aufgebrochen werden, damit Wirkung erzeugt wird, wo es tatsächlich gebraucht wird.“

„Die Erfahrungen müssen systematisch abgeholt und in organisatorische Entwicklung einfließen.“

„Die Transferagenturen sind deswegen für Kommunen so wichtig, weil wir als Städtetag fachliche Bildung nicht leisten können.“

 

Kaum ist in der Pandemie Land in Sicht, binden die Auswirkungen des Ukrainekriegs weitere Kräfte in den Verwaltungen. Überhaupt belasten Staat und Städte immer neue, nicht absehbare Herausforderungen. Wie sich Führungskräfte, Mitarbeitende und Teams in schwierigen Zeiten stärken können, berichtet Christine Gebler (Personal- und Organisationsamt, Leiterin Abteilung Strategische Personalentwicklung und Changemanagement, Stadt Heidelberg). 

Christine Gebler
Christine Gebler

„Krisen sind die Säbelzahntiger der neuen Arbeitswelt. Sie sind das Druckmittel, das tatsächliche positive Veränderungen auslöst.“

„Organisationen können drei Dinge tun: Sich mit Fehlern beschäftigen und Fehlschläge als Lernpotenzial nehmen, Vereinfachung und eigene Denkmuster hinterfragen, auch verschiedene Perspektiven einnehmen (Nutzer:innen, Bürger:innen …) und Wissen und Informationen wertschätzen und teilen.“

„Für Führungskräfte und Teams empfehle ich, Vision und Werte zu entwickeln sowie die Zusammenarbeit in selbstorganisierten Teams mit Entscheidungskompetenzen zu fördern . Außerdem regelmäßige Retrospektiven, um im Gespräch miteinander zu bleiben und psychologische Sicherheit zu fördern.“
 
„Krise ist relativ, der individuelle Umgang damit noch einmal mehr. Die Bewältigung fängt bei allen selbst an. Alle können an der eigenen persönlichen Entwicklung arbeiten, Netzwerke intern wie extern auf- und ausbauen und schließlich bewusst das Hier und Jetzt wahrnehmen: priorisieren, fokussieren, loslassen.“

Die praxisnahen Impulse aus Wissenschaft und Kommune sowie Raum zum Austausch und Netzwerken ermöglichen einen inspirierenden Tag. Wir danken den Speaker:innen für ihre interessanten Impulse und allen Gästen für ihre rege Beteiligung und all die guten Ideen und Berichte aus dem eigenen Arbeitsalltag.

Ansprechperson