Fachgruppentreffen "Lokales Bildungsmanagement" und "Kooperation Kommune und Zivilgesellschaft"

"Bildung im Sozialraum gestalten: Gemeinsam mit Zivilgesellschaft"

Art:

Ort:
Bürgerhaus Wilhelmsburg
Mengestr. 20
21107 Hamburg
Datum: 
Mittwoch, 21. Juni 2017 - 10:30 bis Freitag, 23. Juni 2017 - 11:45

Im Fokus dieses Fachgruppentreffens stand die Zivilgesellschaft und ihre Rolle im kommunalen Bildungsmanagement: Dieses lebt von der Partizipation unterschiedlicher Stakeholder und kann einen Mehrwert erschaffen, wenn kommunale und zivilgesellschaftliche Kräfte ineinandergreifen.

Neben einem wissenschaftlichen Impuls von Herrn Professor Benedikt Sturzenhecker von der Universität Hamburg, wurde ein Blick in die Praxis – in das „Das Bildungsband Osdorfer Born“ mit den beteiligten Akteuren – geworfen und die eigenen Partizipationserfahrungen diskutiert. Am zweiten Tag thematisierten die Teilnehmenden ihre Anliegen, tauschten sich dazu aus und berieten sich. Ansatz der Veranstaltung sollte es sein, neue Impulse und Ideen sowie Methoden zu Beteiligungsformaten zu erhalten und darüber hinaus Perspektivwechsel zu vollziehen und Zivilgesellschaft so besser kennen zu lernen.

Grußwort
Sabine Wenzel, Fachamtsleiterin Sozialraummanagement im Dezernat für Soziales, Jugend, Gesundheit im Bezirk Hamburg-Mitte

Sabine Wenzel begrüßte zu Beginn die im Bürgerhaus Wilhelmsburg erschienenen Teilnehmenden aus den Großstädten und der Zivilgesellschaft. Das Bürgerhaus sei für diesen Anlass, so Wenzel, ein besonders geeigneter Ort, da es sowohl beteiligungserfahren als auch -affin sei. Wilhelmsburg gehört zudem mit der Veddel zu den sogenannten Elbinseln, die seit einigen Jahren intensiv am Ausbau einer Bildungslandschaft arbeiten – unter anderem durch die Errichtung einer Jugendberufsagentur und der Durchführung des hamburgweiten Formates „Regionale Bildungskonferenz“. Eröffnend stellte Sabine Wenzel eine wichtige Frage: „Welchen Stellenwert haben Ergebnisse von Beteiligungsprozessen?“

Einführung "Partizipation der Zivilgesellschaft im datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement"
Kathrin Flaspöler und Marion Rädler, Transferagentur für Großstädte

Partizipation der Zivilgesellschaft im datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement kann nur funktionieren, wenn die unterschiedlichen Ebenen im Sozialraum und auf gesamtstädtischer Ebene berücksichtigt werden und diese zusammen wirken. Unterschiedliche Dimensionen sollten in den Blick genommen werden:

  • Wann sollten wir Bildungsadressaten als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt einbeziehen, wie gewinnen wir sie und welche Methoden sind dabei hilfreich?
  • Welche Rolle können dabei Organisationen wie Stiftungen, Träger, Vereine und Verbände spielen?
  • Welche Voraussetzungen in Politik und Verwaltung fördern eine wirksame Partizipation der Zivilgesellschaft?
  • Was macht langfristig eine nachhaltige Partizipationskultur aus und wie kann sie gefördert werden?

Folgende Spannungsfelder spielen dabei eine Rolle: Die Beteiligung der Menschen vor Ort zwischen Information, Mitgestaltung bis hin zur Selbstbestimmung (Partizipationsstufen) und die Beteiligung von Stiftungen, Vereinen und Verbänden zwischen Konkurrenz und Kooperation. Auf Politik- und Verwaltungsebene kann die kommunale Beteiligungsstrategie zwischen Alleingängen einzelner Ressorts oder gemeinsamen ressortübergreifenden Ansätzen die Einbindung von Zivilgesellschaft beeinflussen. Oftmals gibt es eine punktuelle Einbindung von Zivilgesellschaft und keine nachhaltige Partizipationskultur mit verbindlichen Strukturen, Regeln und Qualitätskriterien.

Impulsvortrag "Bildungslandschaft „von unten" gestalten – unter Partizipation von Kindern und Jugendlichen"
Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker, Universität Hamburg

Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker führte grundlegend in das Thema der Partizipation von Kindern und Jugendlichen ein. Dabei definierte er im ersten Schritt die Begriffe Teilhabe und Teilnahme: Bei der Teilhabe geht es um den Zugang zu und am gesellschaftlichen Leben mit all seinen ökonomischen, kulturellen und öffentlichen Aspekten. Teilnahme dagegen bezeichnet eher die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen. Sturzenhecker machte deutlich, wie wichtig das Zusammenspiel beider ist.

"In den alltäglichen gesellschaftlichen Handlungsfeldern gibt es so gut wie keine demokratische Beteiligung. Auch deshalb wirkt der Anspruch darauf häufig so ungewohnt."
Prof. Dr. Benedikt Sturzenhecker

Kinder und Jugendliche haben in Bezug auf demokratische Partizipation ebenfalls Recht auf die aktive Gestaltung von Bildungslandschaften – als Bildungssubjekte. Sturzenhecker differenzierte dafür die Begriffe der Bildung, der Bildungslandschaften sowie der Bildungsformen und -orte. Er stellte anschließend die Frage und gab Empfehlungen, wie zivilgesellschaftliche Organisationen und weitere Akteure handeln können, um gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen (als Bildungssubjekte) eine partizipative Beteiligung an der Gestaltung von Bildungslandschaften zu gewährleisten: Zum Beispiel durch einen Beirat aus Kindern und Jugendlichen, der innerhalb von einem Mini-Projekt konkrete Entscheidungen über die Ausgestaltung fällt.

Die PowerPoint-Präsentation fragen Sie bitte direkt bei Prof. Sturzenhecker an unter benedikt.sturzenhecker@uni-hamburg.de

Von der Theorie zur Praxis "Bildungsband Osdorfer Born. Die Bildungslandschaft Osdorf/Lurup finden und entwerfen"
Interview mit Adel Chabrak, Bildungskoordinator Bezirk Altona
Barbara Pampe, Montag Stiftung
Thomas Gräbel, Studio Urbane Landschaften und
Margret Heise, Anwohnerin und Mitglied der Borner Runde

Mit der Bildungslandschaft Osdorfer Born/Lurup lernten die Teilnehmenden ein Hamburger Projekt kennen, das unter Beteiligung von vielen unterschiedlichen Akteuren vor Ort entstand. Der Osdorfer Born ist eine 50 Jahre alte Großsiedlung, die sich im Hamburger Stadtteil Altona befindet. Er gilt als sozial benachteiligter Stadtteil. Ausgehend von der Entwicklung eines Schulneubaus der Geschwister Scholl Schule in Osdorf/Lurup, begleitet von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, wurde die Idee eines Bildungsbandes gesponnen. Damit rückt der öffentliche Raum als ein Bildungsthema – hier der Raum zwischen zwei Stadtteilschulen in den Fokus. Welche Räume und Wege werden im Alltag von Kindern und Jugendlichen genutzt? Gibt es Lieblingsorte? Wie sind die Einrichtungen im Stadtteil sichtbar – und wie sind sie zu erreichen?

Mit den Akteurinnen und Akteuren der Bildungslandschaft, Anwohnerinnen und Anwohnern, Kindern und Jugendlichen wurde ein Beteiligungsprozess durchgeführt, um ein Konzept, Handlungsfelder und ableitende Maßnahmen zu entwickeln. Ziel des Bildungsbandes ist es, die im Stadtteil angesiedelten Schulen, Bildungs-, Sozial- und Freizeiteinrichtungen einzubeziehen und zu beteiligen. Gleichzeitig soll es dabei Kindern und Jugendlichen im Stadtteil eine Orientierung bieten.

Auf Bezirksebene wurde unter der Projektleitung von Bildungskoordinator Adel Chabrak eine Fachgruppe eingerichtet. Mit dabei waren: das Bezirksamt Altona, das Fachamt Sozialraummanagement, Fachämter, u.a. Stadt- und Landschaftsplanung, Integrierte Stadtentwicklungsplanung, Management des öffentlichen Raumes, Schulbau Hamburg, die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Aufgabe war es, die Prozesse auf allen Ebenen, wie z.B. in politischen Gremien, den Beteiligungs- und Stadtteilgremien, rückzukoppeln und die Projektstände zu kommunizieren. Gerade die lang bestehenden Bürgerbeteiligungsgremien, wie etwa die Borner Runde, spielten eine wichtige Rolle in den Beteiligungs- und Entwicklungsprozessen, die von dem Studio Urbane Landschaften durchgeführt wurden.

Folgende Erkenntnisse kristallisierten sich im Gespräch heraus:

  • Das Denken und Handeln in Zuständigkeiten in Verwaltung erfordert von allen Akteuren viel Energie. Ein „Ermöglicher“ innerhalb von Verwaltung ist daher hilfreich.
  • Das Kennenlernen der unterschiedlichen Arbeitsprozesse und Strukturen vonseiten Kommune und Zivilgesellschaft benötigt viel Kommunikation.
  • Die Aktivierung zur Teilhabe und Teilnahme aller 27.000 Bewohnerinnen und Bewohnern bzw. ihrer angemessenen Repräsentation ist herausfordernd.
  • Die Dynamiken der 2013 durchgeführten „Phase Null“ konnten gut für den weiteren Verlauf genutzt werden, da alle Akteure bereits mit an Bord waren.
  • RISE – das Hamburger Rahmenprogramm Integrierte Stadtentwicklung bettet die Entwicklungsstrategie des Bildungsbandes ein. Die Montag Stiftung begleitet den Prozess, RISE hält finanzielle Mittel für die Umsetzung bereit.
  • Der Partizipationsgedanke ist in der Verwaltung voran geschritten: Akteure wissen, wie sie miteinander arbeiten und kooperieren können.

"Der Partizipationsgedanke hat sich in der Verwaltung verfestigt.“
Adel Chabrak, Bildungskoordinator, Bezirk Altona

Austausch "Was bewegt uns in den Kommunen?"
Gesprächsgruppen zu Erfahrungen und aktuellen Herausforderungen

Der letzte Programmpunkt des ersten Tages gab den Teilnehmenden die Gelegenheit, sich in kleinen Gruppen über ihre persönliche Erfahrung, ihre Situation und ihre Herausforderungen in der eigenen Arbeit auszutauschen. Außerdem schafften die Teilnehmenden durch selbst formulierte Fragen die Grundlage für die Diskussionen des nächsten Tages.

Stadtteilspaziergang
mit Sören Schäfer, Bürgerhaus Wilhelmsburg

Sören Schäfer berichtete zum Abschluss den Teilnehmenden bei einem Spaziergang vom Bürgerhaus Wilhelmsburg zum nahegelegenen Wälderhaus von seiner Arbeit im Projekt „Perspektiven! – Miteinander planen für die Elbinseln“. In Kooperation mit dem Bezirksamt Hamburg-Mitte und der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen organisiert das Bürgerhaus Wilhelmsburg seit 2013 eine Reihe von Bürgerbeteiligungsprozessen zu verschiedenen Themen rund um aktuelle und zukünftige Stadtentwicklungsvorhaben in und für Wilhelmsburg. Hier haben die Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die Möglichkeit, ihre Ideen an die Planer weiterzugeben, bevor diese mit ihrer Arbeit beginnen. Auch zu den Plänen, die entstehen, wird ein Feedback eingeholt. Dialogformate informieren über den laufenden Prozess. „Wir holen die Meinungen ein, bevor die Planung begonnen hat. Denn wir wollen an der Entscheidungsgrundlage mitarbeiten“, so Sören Schäfer

Aufgabe des Projektteams ist es dabei, aktuelle Bedürfnisse und Anlässe im Stadtteil zu identifizieren, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort Beteiligungsstrukturen zu entwickeln und konkrete Verfahren auszuhandeln. Denn, das zeigt die Erfahrung, solche Entwürfe genießen eine hohe Akzeptanz und Rückhalt aus der Bevölkerung.
 

Blitzlichter aus der Praxis
Einblicke in Beteiligungsprozesse

Bevor es am zweiten Tag in intensiven Workshops weiterging, bekamen alle Teilnehmenden die Chance, Blitzlichter aus der Praxis kennenzulernen. Diese wurden von den Critical Friends eingebracht, die gleichzeitig in den folgenden Arbeitsphasen ihre Erfahrung und Expertise einbrachten.

Die Praxisbeispiele kamen von Dr. Michael Freitag, Regionalbeauftragter & Koordinator Bürgerbeteiligung (Hamburg Eimsbüttel), Thomas Helfen, Stadtkümmerei Neukölln und Nihat Karatoprak, mobile Jugendarbeit (Berlin Neukölln), Gottfried Eich, Projektkoordinator Maritimes Zentrum Elbinseln, Stadtteilschule Wilhelmsburg und Bettina Kiehn, Vorstand Bürgerhaus Wilhelmsburg (Hamburg Mitte).

Workshops "Partizipation der Zivilgesellschaft – Herausforderungen"
Arbeit in Kleingruppen mit Critical Friends

In der anschließenden Workshopphase gab es für die Teilnehmenden die Gelegenheit, ihre Anliegen der Runde zu schildern und Impulse, Einschätzungen und Ideen der Critical Friends einzuholen.

# 1 Fokus Bildungsadressaten: Die Menschen vor Ort gewinnen und einbinden
Dr. Michael Freitag, Regionalbeauftragter und Koordinator Bürgerbeteiligung, Hamburg Eimsbüttel

Die Teilnehmenden des Workshops #1 beschäftigte vor allem die Frage nach Kriterien und Voraussetzungen für gelingende Partizipation, in dem die Beteiligten nicht nur ihre Anliegen in die Diskussion einbringen, sondern auch an Entscheidungsprozessen mitwirken. Besonderes Interesse galt den Anreizen und Formaten für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie Neuzugewanderten und Migrantenselbstorganisationen.

Dr. Michael Freitag ging systematisch auf die Fragen und Anliegen der Gruppe ein. Dabei legte er die folgenden wichtigsten Punkte dar:

  • Sehr entscheidend ist eine Begriffsklärung im Vorfeld: Geht es beim angestrebten Beteiligungsprozess lediglich um die Information und Befragung von Bürgerinnen und Bürger bzw. um eine Einladung zur Kooperation oder darum, sie tatsächlich bei der Entscheidung über für sie relevante Themen mitwirken zu lassen?
  • Daraufhin sollen die Entscheidungsrahmen des Beteiligungsprozesses von Anfang an klar definiert und den Beteiligten transparent kommuniziert werden: Was ist das Ziel des Prozesses? Worüber wird von wem wann und wie entschieden?
  • Es muss einen Resonanzraum für die Beteiligungsergebnisse geben. Die Voraussetzung dafür ist, dass die relevanten Akteure auf der Entscheidungsebene von Anfang an miteingebunden werden und sich klar positionieren: Was wird mit den Ergebnissen passieren? Welche Möglichkeiten gibt es, Entscheidungen umzusetzen? Welche Entscheidungen können überhaupt umgesetzt werden?
  • Das klare Bekenntnis einer Person in der Verwaltung oder einer Organisation, die ein hohes Amt innehat, sowie eine vom Beteiligungswillen geprägte Grundhaltung aller Beteiligten ist ebenfalls sehr wichtig. Hier kann der Austausch mithilfe von Selbstreflexionsbögen sehr hilfreich sein.
  • Für eine notwendige und umfassende Qualifizierung der Beteiligten reicht es nicht aus, Kenntnisse über Methoden und Qualitätsstandards zu erwerben. Methoden sind nur Handwerkszeug und nicht jede Methode wirkt universell. Entscheidend ist eine zielorientierte Auswahl und Ausdifferenzierung sowie die konkrete Umsetzung der Methode.
  • Die Qualitätskriterien sind aus der Perspektive der Zielgruppe mitzudenken. Die Zielgruppe, die am wenigstens Erfahrung mit Beteiligungsprozessen hat, sollte die Gruppe sein, an der sich der Prozess/die Umsetzung orientiert.
  • Wichtige Kriterien, um Motivation an Beteiligung zu erzeugen, sind: Spaß, subjektive Bedeutsamkeit, Substanz, Mehrwert und Selbstwirksamkeitserwartung.
  • In Bezug auf Kooperationen mit Migrantenselbstorganisationen gibt es gute Erfahrungen: sowohl mit einem offenen Zugehen aufeinander als auch beim Kennenlernen von Arbeitsweisen. Wichtig ist dabei, Sprachbarrieren zu berücksichtigen, ohne defizitorientierte Bilder herzustellen. Die Arbeit und die Qualifizierung von Multiplikatoren sowie verlässliche Anlaufstellen haben sich ebenfalls als positiv erwiesen.
     

# 2 Fokus Institutionen: Die Rolle von Stiftungen, Vereinen, Trägern u.a. stärken  
Thomas Helfen, Stadtkümmerei und Nihat Karatoprak, Streetworker, Berlin-Neukölln

Im ersten Teil des Workshops #2 diskutierten die Teilnehmenden gemeinsam mit den beiden Critical Friends die Frage, welche Arten von Organisationen es überhaupt gibt und welche Herausforderungen und Anknüpfungspunkte die jeweiligen Strukturen für Partizipationsprozesse mit sich bringen. Im Gespräch wurden drei übergeordnete Kategorien identifiziert:

  • zuwendungsfinanzierte Organisationen,
  • ressourcengebende Organisationen
  • und Selbstorganisationen.

Bei zuwendungsfinanzierten Organisationen sollte berücksichtigt werden, dass diese in der Regel in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu den Mittelgebern stehen und aufgrund der vorgegebenen Zuschlagskriterien die Gestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten in der Antragsphase somit häufig begrenzt sind. Ressourcengebende Organisationen verfolgen demgegenüber häufig ein starkes Eigeninteresse, das ebenfalls einen begrenzenden Einfluss auf mögliche Partizipationsräume haben kann. Selbstorganisationen agieren größtenteils unabhängig und sind in der Konzeptentwicklung daher flexibler. Gleichzeitig haben diese häufig nur einen begrenzten Gestaltungsspielraum bei der Mitwirkung in landes- und bundesweiten Programmen. Diese verschiedenen Ausgangsbedingungen sollten bei der Projektentwicklung mitgedacht und genutzt werden. So kann beispielsweise eine Phase „Null“ dazu dienen, verschiedene Organisationen von Beginn an möglichst breit einzubeziehen, um die Bedarfe vor Ort besser erfassen zu können. In einem zweiten Schritt ist eine Rollen- und Aufgabenklärung wichtig, in der die jeweiligen Eigeninteressen berücksichtigt und Kooperationsformen ermöglicht werden. Schließlich sollten auch in der Umsetzung eines Projektes partizipative Strukturen, wie z.B. ein Projektbeirat, etabliert werden.

In der vertiefenden Diskussion wurden darüber hinaus explizit die Rolle von Stiftungen und Migrantenselbstorganisationen thematisiert. Wichtig sei es auch hier, die Eigenlogik der jeweiligen Organisationsform zu verstehen und übergeordnete Zusammenschlüsse wie beispielsweise den Stiftungsverbund von Lernen vor Ort oder den Bundesverband Netzwerke von Migrantenorganisationen zu nutzen.

Ein dritter Diskussionsstrang nahm verstärkt die Zielgruppe der Geflüchteten in den Blick. Auf die Fragen, wie die Bedarfe vor Ort noch zielgruppenspezifischer erfasst werden und wie verschiedene Helfermilieus zusammengebracht werden können, wurde insbesondere die Rolle von alternativen Zugangsorten und Multiplikatoren diskutiert. Beispiele hierfür können Imame und Dolmetscher, aber auch Gewerbetreibende in den zentralen Einkaufs- und Kontaktmeilen sein.
 

# 3 Fokus Verwaltung: Voraussetzungen für Partizipation schaffen und nachhaltig verankern
Gottfried Eich, Projektkoordinator Maritimes Zentrum Elbinseln, Stadtteilschule Wilhelmsburg, und Bettina Kiehn, Vorstand Bürgerhaus Wilhelmsburg (Hamburg Mitte)

Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass partizipative Strukturen entstehen, ist, dass der Sinn und der Mehrwert von Beteiligung erkannt werden. Denn, das wurde im Workshop #3 deutlich, Anlässe für Verwaltung zur Partizipation einzuladen, gibt es viele.
Nichtsdestotrotz existieren einige Hürden, die es zu meistern gibt in der Verwaltung, um Beteiligung zu ermöglichen. So gibt es in der Verwaltung beispielsweise viele verschiedene Zuständigkeiten, aber zu wenig Raum für Austausch. Dieser ist jedoch wichtig, wenn man ein partizipatives Projekt auf die Beine stellt. Eine Koordination kann helfen, die Fachämter zusammenzubringen, die zuständig sind. Das sollte auch über die Verwaltung hinausgedacht werden.

Damit das Beteiligungsverfahren am Ende ein Erfolg wird, bedarf es einer Reihe von Überlegungen. Im Workshop wurden folgende Erfahrungen und Hinweise gesammelt:

  • Partizipation von Anfang an: Die Verwaltung sollte von Anfang an eingebunden sein. Und auch Konzepte sollten bereits partizipativ aufgesetzt werden.
  • Oft würden nur bestimmte Gruppen erreicht. Menschen mit Methodenkompetenz können dabei helfen, die „Richtigen“ zu erreichen. Denn wichtig ist, zu erkennen, welche Methode jeweils sinnvoll ist. Die Zielgruppe zu kennen, spielt dabei eine ebenso große Rolle.
  • Budgets für Partizipation sind in der Verwaltung meist vorhanden. Die Frage ist jedoch: Wohin gehen die Finanzen – in eine Beteiligungsagentur oder auch in den Aufbau von Methodenkompetenzen in der eigenen Organisation?
  • Um sich nicht zu überfordern ist es sinnvoll, zunächst danach zu fragen, wer unterstützt werden möchte, und diese vorhandene Energie zu nutzen.
  • Man sollte sich auch überlegen, welche Projekte schnelle Erfolge für alle zeigen, so genannte Quick Wins.
  • Da oft nur ein Bruchteil der Ideen am Ende umgesetzt werden, ist es wichtig, dass die Entscheidungen transparent gemacht werden. Im Bürgerhaus etwa ist dies fester Bestandteil des Prozessplans. Dies stärke letztlich auch die Beteiligungsbereitschaft, weil die Wirkung des Tuns unmittelbar sichtbar wird. Ein Rückfluss der Entscheidungen ist auch deshalb unverzichtbar, da sichtbar gemacht wird, was im Hintergrund passiert. Eine solche Kontinuität in der Kommunikation ist eine wichtige Voraussetzung für Beteiligungsprozesse und-strukturen.
  • Partizipation gelingt dann am besten, wenn sie sozialräumlich orientiert ist. Die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort sind der Schlüssel zum Erfolg.

Welchen Mehrwert die Beteiligung der Betroffenen hat, liegt auf der Hand und wurde von den Teilnehmenden des Workshops betont: Es findet ein Perspektivwechsel statt. „Jugendliche verstehen, wenn etwas nicht geht, wenn die Verwaltung es ihnen erklärt“, so ein Teilnehmer. Und auch die Verwaltung profitiert, weil sie einen Einblick bekommt, was Jugendliche denken.

„Partizipation leben, heißt, die Demokratie zu stärken“, so bringt Bettina Kiehn, Vorstand Bürgerhaus Wilhelmsburg, es auf den Punkt. Und Gottfried Eich, Projektkoordinator Maritimes Zentrum Elbinseln, ergänzt: „Partizipation geht immer! Man kann und sollte aber mit kleinen Prozessen beginnen und diese dann schrittweise ausbauen.“
 

Professor Dr. Benedikt Sturzenhecker hält die Keynote.
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Podiumsinterview zum "Bildungsband Osdorfer Born"
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Am Ende des ersten Tages trafen sich die Teilnehmenden zu einem Stadtspaziergang durch Wilhelmsburg.
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Ansprechperson