
Dr. Ellen Künzel ist Organisations- und Managementberaterin. Sie erläutert im Interview, weshalb es für Verwaltungen so schwierig ist zu kooperieren, obwohl der Wille da ist und welche Zutaten zu einer gelingenden Zusammenarbeit über die Ämtergrenzen hinweg gehören. Sie evaluierte und beriet das Programm „Lebenswerte Stadt Hamburg“. Eines der Ziele des Programms war es, die horizontalen und vertikalen Verwaltungskooperationen zu verbessern.
Wieso ist der Bedarf an Kooperation so hoch?
Sowohl in Deutschland als auch international ist immer häufiger von Kooperation die Rede, wenn es um globale Güter geht, z.B. Energie, Klima, Stadtentwicklung und natürlich Bildung. Die Herausforderungen in diesen Handlungsfeldern sind so komplex, dass Gestaltungsaufgaben nicht mehr aus einer einzelnen Fachlichkeit und aus einzelnen Ressorts heraus gesteuert werden können. Eine Kooperation verschiedenster Fachlichkeiten und integrierte Handlungsansätze sind nötig, um zu angemessenen Antworten zu kommen.
Die Notwendigkeit zu kooperieren wird also gesehen. Wieso läuft es trotzdem oft schwerfällig?
Ein Knackpunkt, auf den wir beim Projekt „Lebenswerte Stadt“ gestoßen sind, wird als Pfadabhängigkeit beschrieben: Ähnlich wie wir Menschen haben Organisationen eine Historie und Routinen, aus denen sie nicht gern rausgehen. Zu diesen Routinen gehören neben den Leistungsprozessen auch der Zugriff auf Ressourcen, Macht, Einfluss oder Prestige. Bei Kooperationen geht es häufig darum, etwas von dem eigenen schmalen Gestaltungsraum, in einen gemeinsamen Gestaltungsbereich zu investieren. Dabei handelt es sich nicht nur um Fachlichkeit und Geld, sondern auch um Zeit und Personal. Viele Verwaltungen erleben in den letzten Jahren massiven Aufgabenzuwachs bei gleichzeitig stabiler oder sogar sinkender Personaldecke. Das Gut Personal abzugeben für Hunderte von Projekten, die alle einen Kooperationsanspruch haben, ist sehr schwierig.
Wie schwer ist es, aus dieser Funktionslogik der Organisationen auszubrechen?
Überorganisationale Kooperation kann zunächst einmal als Musterbruch verstanden werden, da sie nicht in der Routine der Öffentlichen Verwaltung verankert ist. Das bedeutet, die Beteiligten müssen oft erst das Kooperieren über Abteilungs- und Organisationsgrenzen hinweg lernen. Und es muss Anreize und Treiber geben, die Kooperationen gerade im Bereich der globalen Güter vorwärtstreiben.
Wir haben aus der Erfahrung mit dem Projekt „Lebenswerte Stadt“ Erfolgsfaktoren identifiziert: Einer davon war der politische Druck zu kooperieren; der sogenannte Case for Action muss gegeben sein. Eine durchaus hierarchisch angelegte Steuerungsstruktur und Personen mit hoher Fachlichkeit und Durchsetzungskraft haben dazu beigetragen, diesen Druck weiterzugeben. Darüber hinaus sind notwendige Erfolgszutaten, verschiedene Incentives, für die beteiligten Akteure: Das können investive Mittel, neue Gestaltungsmöglichkeiten, Inspiration durch innovative Lernformate sein. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass vor allem dann kooperiert wird, wenn die Not groß ist, wie man in manchen Städten des Ruhrgebietes sehen kann.
Auf was müssen sich die Akteure dabei einstellen? Vor welchen Herausforderungen stehen beispielsweise die Mitarbeitenden einer Kommune?
Eine Herausforderung ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Kommunalverwaltung selten zusätzliche Zeitressourcen bekommen, sondern eher eine Verdichtung ihrer Arbeit erleben. Die Regelaufgaben müssen ja weiterlaufen. Trotzdem bin ich immer wieder auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestoßen, die Kooperation als Inspiration, Anreiz und/oder Weiterentwicklung erleben.
Kooperation braucht die Bereitschaft, eigene fachliche Ansprüche in einen Aushandlungsprozess mit anderen fachlichen Ansprüchen zu bringen. Das wiederum bedeutet Kompromissbereitschaft, Verhandlungskompetenz, aber auch die Fähigkeit, eine gewisse Resilienz zu entwickeln.
Das Interview führten wir im Rahmen des Treffens im Großstadtnetzwerk der Fachgruppen „Diversität und Bildung“ und „Kooperation Kommune und Zivilgesellschaft“ am 30. November und 1. Dezember 2016 in Münster. Die Dokumentation der Veranstaltung finden Sie hier.