Fachgruppen "Diversität und Bildung" & "Bildung und Stadtentwicklung"

Kein Raum für Qualität? Wie Großstädte neue Lernorte gestalten.

Art:

Ort:
Stadtteilzentrum KroKuS
Thie 6
30539 Hannover
Datum: 
Donnerstag, 7. Dezember 2017 - 11:30 bis Samstag, 9. Dezember 2017 - 12:45

Großstädte wachsen, Quartiere wachsen. Das stellt nicht nur Anforderungen an bezahlbaren Wohnraum, sondern auch an die Infrastruktur für Kinder und Jugendliche. Doch städtischer Raum ist knapp. Kommunen stehen unter Druck, dem steigenden Anteil an Kindern und Jugendlichen mit einem entsprechenden Raumangebot zu begegnen.
Zugleich werden die Gruppen innerhalb sozialer und pädagogischer Einrichtungen heterogener. Besonders dort, wo viele Neuzugewanderte ihren Lebensmittelpunkt finden, übernehmen Schulen, Kitas, Jugendarbeit und Bibliotheken, Freiflächen, Spiel- und Sportplätze wichtige Funktionen. Die Anforderungen an die pädagogische Arbeit verändern sich und mit ihnen die qualitativen Ansprüche an Lernorte im Quartier. Wo es aus fachlicher Sicht neue Raumkonzepte bräuchte, herrscht vielfach Raumnot.

Wie können Kommunen dieser Situation begegnen? Warum sollte die Frage nach Qualität beim Ausbau der Bildungsinfrastruktur bei allem Handlungsdruck nicht zurückgestellt werden? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn neu Bauen keine Option ist, weil Freiflächen fehlen oder temporäre Lösungen gebraucht werden? Wie gewinnen Kommunen im Spannungsfeld von Quantität und Qualität mehr Planungssicherheit?

Den Einstieg in das Fachgruppentreffen übernahm Professor i. R. Dr. Jörg Ramseger von der Arbeitsstelle Bildungsforschung Primarstufe der Freien Universität Berlin mit einer Keynote zum Zusammenspiel von Raum und Pädagogik. Die Kernthesen aus dem Vortrag sind als Download zusammengestellt:

„Der Zweck des kommunalen Bauens muss sein, dass der Eigentümer etwas baut, in dem der Besitzer sich wohlfühlt. Gute Bildungseinrichtungen sind solche, auf die ihre Nutzerinnen und Nutzer stolz sind.“
Prof. Dr. Jörg Ramseger von der Arbeitsstelle Bildungsforschung Primarstufe an der FU Berlin

 

Es folgten Inputs zu Lösungsansätzen in drei Szenarien.

Szenario 1: Neuen Raum für Bildung als Übergangslösung einrichten – und dabei Qualität im Blick behalten

Mobile Bauten sind der gängigste Lösungsansatz, wenn es zügig neuen Raum für Kitas und Schulen braucht. Die Landeshauptstadt Hannover wächst schnell, der Investitionsbedarf allein des Fachbereichs Schule ist groß. 2017 hat der Rat der Stadt die Investitionsoffensive 500plus verabschiedet, ein Großsteil der zusätzlichen investiven Mittel ist für den Schulbereich vorgesehen, so dass sich die Ausgangssituation zur Realisierung von Neubauten verbessert hat. Doch zugleich ist klar: Es wird weiter temporäre Lösungen brauchen. Weil Flächen für Neubauten fehlen, Investitionsmöglichkeiten zügig genutzt werden müssen oder Bedarfe nur temporär sind.

Stefan Rauhaus, Bereichsleiter Schulplanung und Pädagogik im Amt für Schule der Landeshauptstadt Hannover, stellte am Beispiel mobiler Bauten vor, wie Hannover aus der Umsetzung guter Einzelbeispiele lernt, um Prozesse zur Entscheidungsfindung zu verbessern und die Weichen so zustellen, dass auch Übergangslösungen gute Lernumgebungen sind.

Szenario 2: Standorte für Neubauten langfristig und integriert planen – was kann die Stadtentwicklung beitragen?

In der Stadt Nürnberg arbeiten Statistik, Stadtentwicklung und Stadtplanung eng mit der Schulentwicklungs- und Jugendhilfeplanung zusammen, um Flächen für Neubauten frühzeitig zu sichern. Trends der Bevölkerungsentwicklung werden gemeinsam analysiert und in kleinräumige Bedarfsprognosen eingespeist, Infrastrukturplanungen werden gemeinsam abgestimmt. Mario Gottwald, Jugendhilfeplaner im Jugendamt Nürnberg, und Frank Weyherter, Leiter des Sachgebiets Planungsgrundlagen im Stadtplanungsamt Nürnberg stellten ihre Zusammenarbeit vor.

Szenario 3: Raum für Bildung gemeinsam nutzen – und dies in integrierter Zusammenarbeit entwickeln“.

Das Beispiel der Stadt Frankfurt am MainDas Beispiel Frankfurt am Main zeigt: Ist durch integrierte Zusammenarbeit einmal mehr Planungssicherheit erreicht, entstehen neue Optionen, zum Beispiel Bildungsräume im Quartier im lokalen Verbund gemeinsam zu nutzen. Das Ziel: Ein lebendiges Bildungsquartier.Wie kann Kommune hier initiativ werden und lokale Akteure für koordinierte Lösungen gewinnen? Monika Ripperger, Leiterin der Stabsstelle Pädagogische Grundsatzplanung im Stadtschulamt der Stadt Frankfurt am Main, und Christoph Röder, Lehrer im erweiterten Leitungsteam des Beratungs- und Förderzentrum Frankfurt West, stellten die Idee eines digitalen Raumbuchungssystems im Quartier vor und berichteten vom Beteiligungsprozess für einen Co-Workingspace Inklusion in der Bildungsregion Frankfurt-West. Beide Vorhaben sind Teil der Integrierten Schulentwicklungsplanung Frankfurt am Main, „Frankfurt macht Schule".

Welche Ansätze eignen sich unter welchen Bedingungen? Welche spezifischen Hürden stellen sich, wenn quantitative und qualitative Aspekte in Balance gebracht werden müssen? Welche Strukturen der Zusammenarbeit haben sich bewährt und wie lassen sie sich festigen?

Diese Fragen wurden anhand der Beispiele aus den drei Städten und in anschließenden Arbeitsphasen diskutiert. In allen drei Städten ist der Handlungsdruck groß, dennoch sehen sie die Verantwortlichen den Auftrag nicht nur als quantitative Herausforderung, sondern sie versuchen, die bestmöglichen Lösungen zu finden und dabei neue Wege zu gehen. Sie nutzen dafür das Repertoire eines kommunalen und lokalen Bildungsmanagements oder wollen es zukünftig stärker nutzen.

Neue Lernorte konkret: Das Entwicklungsgebiet Kronsberg Süd

Einen Exkurs und Kontrapunkt zur Konkurrenz um Flächen und der Problematik der Raumnot in Bildungseinrichtungen wachsender Quartiere bot die Gastgeberstadt Hannover am Morgen des zweiten Tages des Fachgruppentreffens. In der Nähe des Tagungsorts ist mit dem Entwicklungsgebiet Kronsberg Süd das derzeit größte Wohnungsbauvorhaben Niedersachsens in Planung. Es soll Wohnraum für 7.000 Menschen entstehen, geplant sind eine Grundschule und sechs Standorte für Kindertagesstätten

Matthias Fabich vom Fachbereich Planen und Stadtentwicklung, Stadtbezirksplaner Kirchrode-Bemerode-Wülferode der Landeshauptstadt, gab Einblicke in den Planungsstand der Bildungsinfrastruktur in fachbereichsübergreifender Zusammenarbeit. Was waren wichtige Lernerfahrungen im Planungsprozess?

Impressionen der Veranstaltung

Stattgefunden hat das Treffen im Großstadtnetzwerk im Hannoveraner Stadtteilzentraum KroKuS in Kronsberg. Das im Zuge der EXPO 2000 eingeweihte "Soziale und Kulturelle Stadtteilzentrum KroKuS" bietet generationenübergreifende Angebote. Sowohl die Stadtteilbibliothek als auch Kreativ- und Werkbereiche stehen für die Besucherinnen und Besucher offen.

Stefan Rauhaus, Bereichsleitung Schulplanung und Pädagogik, Fachbereich Schule der Landeshauptstadt Hannover, begrüßt die Teilnehmenden.
1/7
2/7
3/7
Frank Weyherter (l.), Leitung Sachgebiet Planungsgrundlagen, Stadtplanungsamt Nürnberg und Mario Gottwald (r.), Jugendhilfeplanung, Jugendamt Nürnberg
4/7
5/7
6/7
Julia Nast, Transferagentur für Großstädte, und Matthias Fabich, Stadtbezirksplaner Kirchrode-Bemerode-Wülferode, Landeshauptstadt Hannover.
7/7