
Art:
- Großstadtnetzwerk

Markus Lindner
Kommunen nehmen bei der Gestaltung des Bildungsgeschehens vor Ort zunehmend eine wichtige Rolle ein. Dabei wird diese immer mehr zu einer Gemeinschaftsaufgabe von Kommunalverwaltung, Politik und Zivilgesellschaft, für die es neue Arbeitsstrukturen bedarf. Bildungsmanagement und Bildungsmonitoring systematisch miteinander zu verzahnen erscheint notwendig, um der Komplexität dieser Gemeinschaftsaufgabe gerecht zu werden, die Qualität und Wirkung der Bildungsangebote zu steigern sowie Ressourcen bedarfsorientiert und effizient einzusetzen.
Während des Auftakttreffens der beiden Fachgruppen im November 2015 wurde zudem der Wunsch geäußert, die Rückkoppelung der in der jeweiligen Fachgruppe erarbeiteten Ergebnisse mit der jeweils anderen zu sichern. Vor diesem Hintergrund tagten die beiden Fachgruppen „Kommunales Bildungsmonitoring“ und „Kommunales Bildungsmanagement“ am 30. und 31. Mai gemeinsam in Mannheim. Unter dem Titel „Bildungsmanagement und Bildungsmonitoring systematisch verzahnen: Vom Bildungsbericht zur Bildungsstrategie“ tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter aus 15 Kommunen über Herausforderungen und Möglichkeiten im Bildungsmanagement bzw. Bildungsmonitoring aus und arbeiteten an für sie relevanten Themen.
Bildung als zentrales Thema einer gesamtstädtischen Strategie
Dr. Ulrike Freundlieb, Bürgermeisterin der Stadt Mannheim und verantwortliche Dezernentin für den Bereich Bildung, Kinder- Jugend und Familie sowie Gesundheit, eröffnete die Fachgruppe mit einem Grußwort. Darin betonte sie, dass Bildung für die Stadt Mannheim ein zentrales Thema sei, dem von Seiten der Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft eine hohe Bedeutung zugeschrieben wird:
„Im Rahmen einer angelegten Gesamtstrategie verfolgen wir seit einigen Jahren acht Kernziele, hiervon sind drei unmittelbar mit Bildung verknüpft – Bildungsgerechtigkeit erhöhen, Talente fördern und Integration unterstützen. Denn Bildung ist ein entscheidender Schlüssel für den sozialen Aufstieg und die gesellschaftliche Integration. Die Grundlagen hierfür werden auf kommunaler Ebene geschaffen, wo sich gesellschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen manifestieren und eine gegenseitige Verpflichtung auf das Gemeinwohl existiert. Auf dieser Ebene wird auch der bildungsbiografische Erfolg bzw. Misserfolg unserer Kinder und Jugendlichen sichtbar, hier können wir wirkungsorientiert steuern.“
Auch vor diesem Hintergrund machte sich Mannheim bereits vor vielen Jahren auf den Weg, ein kommunales Bildungsmanagement aufzubauen, das bereichsübergreifend ausgerichtet ist und datenbasierte Entscheidungsgrundlagen über das Bildungsmonitoring zur Verfügung stellt. Um das Management gezielt zu unterstützen, etablierte die Stadt ein differenziertes Berichtswesen: Dieses besteht aus bisher drei Bildungsberichten, dem Entwicklungsplan Bildung und Integration, der jährlichen Schulstatistik und dem Schulatlas.
Mit einem Blick aus der Praxis, den der Fachbereichsleiter des Fachbereichs Bildung der Stadt Mannheim Lutz Jahre gewährte, startete der erste Teil der Tagung. Herr Jahre verschaffte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in seinem Impulsvortrag einen Überblick über die Struktur des Bildungsmanagements und Bildungsmonitorings in Mannheim. Er ging dabei zudem auf die Verknüpfung mit dem kommunalen Zielsystem ein.
„Wir haben unsere internen Strukturen optimiert und unter anderem im Fachbereich Bildung die Abteilung „Bildungsplanung/ Schulentwicklung“ aufgebaut - hier sind Bildungsmanagement und Bildungsmonitoring eng miteinander verknüpft. Mit Hilfe eines steuerungsrelevanten Berichtswesens, bestehend aus einem Managementzielsystems, den Mannheimer Bildungsberichten, dem Entwicklungsplan Bildung und Integration sowie Schulatlas und der Schulstatistik, richten wir unser Handeln entlang der Bildungsbiografie wirkungs- und sozialraumorientiert aus. Daraus haben wir eine Strategie entwickelt, um die Zielvorgaben der Stadtspitze zu erreichen und vor allem Bildungsungleichheiten im System gezielt anzugehen.“
Das Beispiel der Stadt Mannheim machte deutlich, dass aus einem Bildungsbericht eine Bildungsstrategie entstehen kann, wenn Strukturen und Prozesse des Bildungsmanagements bzw. Bildungsmonitoring systematisch miteinander verzahnt werden. Hierzu bedarf es den politischen Willen, Ressourcen und die Bereitschaft zahlreicher Akteure, sich aktiv an der Gestaltung zu beteiligen und Aushandlungs- und Kommunikationsprozesse zu führen.
Mit einem Blick über die Praxis wurde anschließend das Zusammenspiel von Strukturen und Prozessen in einem datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement herausgestellt. Da in der Regel keine einheitlichen Planungs- und Managementansätze für einen übergreifenden, integrierten Bildungsbereich bestehen, müssen Aktivitäten unterschiedlicher Akteure (Ämter, Zuständigkeiten) und Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und aufbereitet werden. Zusätzlich sollte nicht nur (Praxis-)Wissen eingebunden und systematisiert, sondern auch die Planungs- und Steuerungsebene kontinuierlich und gleichermaßen mitgedacht bzw. berücksichtigt werden. Wird Bildungsmonitoring dabei als ein datengestützter, kontinuierlicher Beobachtungs- und Kommunikationsprozess verstanden, resultieren daraus Anforderungen an die Organisation (d.h. an Strukturen und Prozesse), in denen das Bildungsmanagement eine zentrale Rolle einnimmt.
Strukturmodelle helfen bei der Skizzierung der Lage in den Kommunen
Dies war die Überleitung in eine intensive Arbeitsphase in vier moderierten Kleingruppen. Beim Blick in die Praxis reflektierten die anwesenden Kommunen ihren Ist-Stand anhand zentraler Entwicklungskategorien. Dafür skizzierten sie zunächst in Einzelarbeit die Ausgangslage mitsamt Baustellen, Unklarheiten und gelungenen Aspekten der Kommunen anhand von Strukturmodellen. Dieses wurde der Kleingruppe präsentiert und gemeinsam besprochen. Im Anschluss erfolgte in einer erneuten Einzelarbeitsphase die Reflexion anhand des Kompasses (mehr dazu in den unten stehenden Links) mit gemeinsamer vertiefender Diskussion. Die Arbeitsphase erfüllte mehrere Funktionen: Sie diente dem besseren Kennenlernen der Teilnehmer/-innen untereinander und deren Ausgangslagen, der Reflexion über die eigene Kommune. Auch die Themen, die im „Speed Dating“ am nächsten Tag besprochen werden sollten, konnten so gefunden werden.
Immer wieder diskutierten die Teilnehmenden kontrovers die Frage nach der Wirkung. Gerade mit Blick auf das Bildungsmonitoring wurde gefragt, welche Möglichkeiten Kommunen haben, Wirkungen im Bildungsbereich zu erfassen bzw. wirkungsorientiert zu agieren: Wie lassen sich Wirkungen nachweisen? Und ist es überhaupt gewollt, Wirkung zu thematisieren? Diese Diskussionsstränge griff die abschließende Gesprächsrunde auf.
Unter dem Titel „Möglichkeiten und Grenzen wirkungsorientierter Steuerung im Bildungsbereich. Was ist ihr Beitrag für Bildungsgerechtigkeit?“ referierte Dr. Friedhelm Pfeiffer, Bildungsökonom am ZEW Mannheim und Mitglied des Mannheimer Bildungsbeirates, zunächst seine Perspektive auf die Erforschung und Thematisierung von Wirkungen im Bildungsbereich. Im Rahmen seiner Forschung untersuchte Herr Dr. Pfeiffer u.a. den Beitrag von Bildung zur Bildungsgerechtigkeit. Dabei ging es um die Fragen, welche Ergebnisse und Erträge das Bildungssystem produziert und ob die Verteilung der Ergebnisse als gerecht empfunden werden: Zum Beispiel die Dauer der Bildung in Jahren, Abschlüsse, Kompetenzen und Erträge wie Einkommen, Gesundheit, Selbstregulation und –bestimmung. Gezeigt hat sich in der Untersuchung unter anderem, dass insbesondere mehr Investitionen für Kinder aus stark benachteiligten Familienumgebungen in den ersten drei bis acht Jahren die Bildungsgerechtigkeit verbessern.
Zur Frage, was die Wissenschaft unter Wirkungsmessung im Bildungsbereich versteht, sagte Pfeiffer:
„Wissenschaftliche Wirkungsmessung im Bildungsbereich bedeutet im Kern eine systematische und strukturierte empirische Untersuchung zum Beitrag von Maßnahmen der Bildungspolitik oder von Bildungseinrichtungen zum angestrebten Ziel dieser Maßnahmen. Sie erscheint aus meiner Sicht immer dann sinnvoll, wenn es darum geht, unterstellte Wirkungen empirisch nachzuweisen. Das muss nicht immer im Interesse der Entscheidungsträger liegen, weil auch unangenehme Ergebnisse nicht ausgeschlossen werden können.“
Pfeiffer plädierte in dem Gespräch dafür, zunächst Ziele klar zu definieren und die Ressourcensteuerung dieser Zielsetzung folgen zu lassen, anstatt viele verschiedene Ziele zu verfolgen, mit der Absicht möglichst viele Mittel zu akquirieren (z.B. durch Programme):
„Weiter ist zu beachten, dass die Wahl der Ziele wichtig ist, da die Mittel dann auf diese Ziele fokussiert werden können. Verwaltungen und Schulen haben vielfach einen Anreiz, möglichst alle denkbaren Ziele zu verfolgen, um möglichst viele Mittel und Stellen zu bekommen. Aus ökonomischer Sicht sollte jedoch eher eine Fokussierung erarbeitet werden. Im Sinne einer ergebnisorientierten und politischen guten Praxis sollten ex ante auch Festlegungen getroffen werden, wie Ergebnisse der Wirkungsforschung verwendet werden. Maßnahmen, die nicht ausreichend wirken, sollten zurückgefahren werden, Maßnahmen die gut wirken, können dagegen gestärkt werden.“
Der Frage, ob die Gefahr bestehe, dass man bei der Wirkungsorientierung die Qualität aus den Augen verlieren könne, stimmte Herr Dr. Pfeiffer zu:
„Die Sorge finde ich berechtigt. Ganz ohne Wirkungsorientierung wird es jedoch auch nicht gehen, obwohl die Verwaltung der Schulen anhand reiner Inputgrößen deutlich einfacher ist. Natürlich sollen auch die Interessen der Lehrkräfte berücksichtigt werden. Entscheidend wird es aus meiner Sicht als Wissenschaftler sein, die richtigen Ziele zu formulieren und dann aufgrund von Kosten-Nutzenüberlegungen und Wirkungsfundierung optimierte Maßnahmen zu gestalten.“
Der zweite Tag des Fachgruppentreffens startete mit einem weiteren Input aus Mannheim. In dem Vortrag von Jürgen Ripplinger wurde, ausgehend von Lutz Jahres Ausführungen am Vortag, dargestellt, wie das Zusammenspiel von Bildungsmonitoring und Bildungsmanagement am Übergang von der Schule in den Beruf in Mannheim gestaltet ist.
„Unser Monitoring im Programm 'Ausbildungslotsen' liefert uns konkrete Zahlen zur Zielerreichung und wichtige Hinweise auf die Wirksamkeit der Maßnahme. Dies bildet die Grundlage für die kritische Reflexion und die kontinuierliche Weiterentwicklung der Maßnahme. Schnittstellen mit anderen Unterstützungsangeboten werden beleuchtet und bearbeitet.“
Der zweite Teil des Blicks in die Praxis erfolgte in zwei Kleingruppen. In Einzelarbeit bestimmten die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen das Thema, für das sie die kollegiale Beratung nutzen wollten. Im „Speed Dating“ nahm sich die Teilnehmerrunde pro Vorstellung je fünf Minuten für die Schilderung des Anliegens, fünf bis zehn Minuten für Rückfragen zum Anliegen und weitere fünf bis zehn Minuten für Ratschläge und Ideen („Was würde ich tun…“) ihrer kritischen Freunde und der anderen Teilnehmenden. Letzteres wurden auf einer Stellwand festgehalten. Abschließend konnte der Fallgeber eine Rückmeldung geben, ob und welche Beiträge am hilfreichsten waren.
Aus der Diskussion in den Kleingruppen haben sich Themen ergeben, die in den nächsten Monaten in weiteren Formaten bearbeitet werden sollen. Informationen dazu folgen.
Ansprechperson


Markus Lindner






