Sprachbildung: "Aus Sicht der Lernenden geht es immer darum, möglichst bruchfreie Bildungsbiografien hinzubekommen."

Interview mit Linda Steger, stellv. Stabsstellenleitung des Freiburger Bildungsmanagements
Dach mit Satellitenschüsseln

Die Stabsstelle Freiburger Bildungsmanagement führt den unter der Initiative LEIF begonnenen Prozess zur Etablierung von Durchgängiger Sprachbildung in Freiburg fort. Gemeinsam mit der im Oktober 2013 eingerichteten „Steuergruppe Durchgängige Sprachbildung“ und einer Experten- und Konzeptgruppe wurde das Konzept weiterentwickelt.

Wieso benötigt es eine gesamtstädtische Strategie für Durchgängige Sprachbildung?

Aus Sicht der Zielgruppen, nämlich der Lernenden – egal ob Geflüchtete, Kinder oder Erwachsene – geht es immer darum, möglichst bruchfreie, gelungene Bildungsbiografien hinzubekommen. Die Brüche lassen sich umso besser vermeiden, desto abgestimmter die Angebote in der Stadt sind. Das ist der Gedanke dahinter. Wenn ich eine abgestimmte Bildungslandschaft vorfinde, schaffe ich möglichst gleiche Bildungschancen unabhängig von Herkunft, Alter und Geschlecht.

Von wo muss eine solche Bildungslandschaft gesteuert werden?

Die Gesamtstrategie muss ganz klar an der Spitze angesiedelt sein, in der Umsetzung aber Bottom-up laufen. Doch wenn es darum geht Korrekturen vornehmen zu können, neue Lücken und Bedarfe zu identifizieren, muss das an die Spitze weitergegeben werden. Deswegen braucht es beides.

Welche Ressorts und Akteure sollten sich miteinander austauschen?

Ich brauche bei einer Gesamtstrategie alle! Den Oberbürgermeister plus alle Dezernenten und extra-kommunale Partner: Diese sind in Freiburg beispielsweise im „Steuerkreis Freiburger Bildungsmanagement“ zusammen mit den Entscheidungsträgern der großen Bildungsinstitutionen wie Arbeitsagentur, Kammern, Hochschulen, Regierungspräsidium und Regionaler Stiftungsverbund vertreten. Hier werden die Erkenntnisse aus der Konzeptentwicklung und Umsetzung ausgewertet und wichtige Richtungsentscheidungen getroffen. Zusätzlich benötigen wir alle Ämter, die mit den Bürgerinnen und Bürgern im weiteren Sinne mit Bildung oder im Sozialbereich in Kontakt treten. Bei uns in Freiburg sind es das Amt für Jugend und Familie, das Amt für Schule und Bildung sowie das Amt für Soziales und Senioren. Und wir sind auf weitere Stakeholder angewiesen: Die Bildungs- und Sozialeinrichtungen der großen freien Träger, den Paritätischen, der auch die kleinen Träger vertritt, bis hin zu den Kammern, Einrichtungen der Jugendhilfe oder der Arbeitsagentur.

Welche Instrumente gibt es, eine solche Strategie erfolgreich anzustoßen und in die Wege zu leiten?

Das Akzeptanzmanagement ist für mich ein wichtiges Instrument, wenn man Bottom-up denkt. Vor allem die Ebene der Multiplikatoren, die mit unseren Lernenden ganz direkt arbeiten wie Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte, Tagesmütter, Quatiersmanager oder Jugendzentrenbetreuer, Sozialarbeiter muss ich für unsere Ideen gewinnen, denn sie müssen es letztlich umsetzen, ihre Angebote abstimmen und ihre Haltung reflektieren. Die Akteure vor Ort sollen erleben, dass sie mitgestalten und nicht von oben diktierte Vorgaben abarbeiten. 

Wie sprechen Sie die Bildungsakteure an, die alles umsetzen müssen?

Ich brauche Informationen und ein lebendiges Bild von ihrer Arbeit und über die Bedarfe vor Ort. Dann kann ich sie auf einer ganz anderen Ebene ansprechen. Auf diese Weise kann man gemeinsam Wege erarbeiten, wie sie mit uns zusammen ihre eigenen Visionen von Chancengleichheit in der Bildung realisieren können. 

Haben Sie bereits auf vorhandene Strukturen aufbauen können? War das hilfreich oder eher schwieriger, da keine Doppelstrukturen entstehen sollten?

Ja, wir konnten auf den Strukturen des Bundesprogramms Lernen vor Ort (Initiative LEIF – Lernen erleben in Freiburg) und des Landesprogramms Bildungsregionen aufbauen. Am Anfang des Freiburger Bildungsmanagements standen dadurch bereits Steuerkreis und der Beirat, was sehr hilfreich war. Auf der Umsetzungsebene verfügten wir über verschiedene Arbeitsgruppen. Für uns war schnell klar, wie wir vorgehen wollen und was für eine Gremienstruktur wir brauchen, um das Thema Top-down gut voran zu bringen. Auch auf der Leitungsebene wollten wir von vornherein alle Stakeholder miteinbeziehen. Das, was ich auf der Multiplikatorenebene als Akzeptanzmanagement eingesetzt habe, muss auf der Spitzenebene in Form einer Gremienbildung abgebildet sein. Dadurch, dass wir in Freiburg über diese Gremienstrukturen und den Steuerkreis verfügten, war der Boden sehr gut vorbereitet. 

Was würden Sie anderen Kommunen raten?

Ich würde zunächst den Top-down-Ansatz nutzen: Wer steht auf der Leitungsebene an Playern zur Verfügung, die wir gewinnen müssen? Wir denken in partizipativen Prozessen und diese partizipativen Prozesse braucht es auf allen Ebenen. Auch auf Leitungsebene bzw. Amtsleitungsebene muss ich partizipativ vorgehen. Zum Beispiel muss die Schulaufsicht mit im Boot sein, nicht nur informiert. Sie muss eingeladen sein, mitzubestimmen und zu gestalten.

Hat Sie die Entwicklung der Neuen Zuwanderung bei Ihrem Gesamvorhaben unter Druck gesetzt?

Bezogen auf die Durchgängige Sprachbildung ist deutlich geworden: Wir müssen gesamtstädtisch viel schneller handeln. Innerhalb der sozialraumbezogenen Modellverbünde wurden neue Flüchtlingswohnheime aufgebaut. Im Bereich der 0- bis 10-Jährigen war der Boden für die Antwort auf die Frage „Wie integrieren wir erfolgreich?“ schon gut bereitet. Integration kann dort gut gelingen. In anderen Bereichen ist es deutlich schwieriger. Es läuft erstmal nicht so abgestimmt, wie wir das gerne hätten. Doch es musste zunächst schnell reagiert werden. Kurse sprießen aus dem Boden, die in keiner Gesamtstrategie enthalten sind. Momentan können wir tatsächlich nur perspektivisch denken. Der oder die kommende kommunale Koordinator bzw. Koordinatorin soll diese Themen unter anderem mitdenken.

Das Gespräch mit Linda Steger führten wir im Rahmen des zweiten Fachgruppentreffens "Diversität und Bildung" in Bonn. Die Dokumentation der Veranstaltung folgt.