"Diversität und Bildung"

Dach mit Satellitenschüsseln
Stadt der Sprachen: Sprachbildung für Neuzugewanderte systematisieren

Art:

Ort:
Haus Müllestumpe
An der Rheindorfer Burg 22
53117 Bonn
Datum: 
Montag, 23. Mai 2016 - 10:00 bis Mittwoch, 25. Mai 2016 - 11:45

Im Mai trafen sich Vertreterinnen und Vertreter aus acht Großstädten zum zweiten Treffen der Fachgruppe „Diversität und Bildung“ in Bonn – dieses Mal mit dem thematischen Schwerpunkt durchgängige Sprachbildung. Diese Fragen diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anhand von Beispielen aus der Praxis:

  • Wie können unterschiedliche Projekte und Programme in einem kommunalen Gesamtkonzept gebündelt werden?
  • Wie kann Sprachbildung langfristig als fester Bestandteil der kommunalen Bildungslandschaft verankert werden?
  • Wie können Abstimmungsprozesse zwischen den Akteuren gestaltet werden, Qualitäten gesichert und gemeinsame Ziele entwickelt werden?


Neben einem wissenschaftlichen Input von Dr. des. Tanja Salem von der Freudenberg Stiftung, bekamen die Teilnehmenden Einblick in aktuelle Vorhaben der Städte Mannheim, Freiburg, Wolfsburg, Wuppertal und dem Land Niedersachsen. Fokus dabei war die jeweilige Ausrichtung der städtischen Gesamtstrategien durchgängiger Sprachbildung der Kommunen. Dr. Lutz Liffers, eh. Leiter der Transferagenturen für Großstädte, setzte die dargebotenen Beispiele in größere Zusammenhänge historischer und aktuell gesellschaftlicher Veränderungen und zeigte neue Entwicklungsspielräume für die kommunalen Vertreterinnen und Vertreter auf.

Grußwort aus Bonn
Udo Stein, Amtsleiters für Kinder, Jugend und Familie der Stadt Bonn
 

In seinem Grußwort betonte Udo Stein die hohe Relevanz der durchgängigen Sprachbildung. Die Sprache habe eine Schlüsselfunktion in der Bildungsbiografie und Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Menschen. Und vor allem für die erfolgreiche Integration von Neuzugewanderten sei dies das zentrale Thema. Mit der umfassenden Sprachbildungsstrategie „Inklusive Bildung Bonn“ habe Bonn hier einen zentralen Meilenstein gesetzt.

„Integration von Neuzugewanderten ins Bildungssystem: Sprachbildung und Mehrsprachigkeit im Fokus“
Dr. des. Tanja Salem, Freudenberg Stiftung

Dr. Salem verdeutlichte in ihrem Vortrag die wesentlichen Voraussetzungen für nachhaltige Sprachbildungsstrategien in Kommunen. Zentraler Ansatzpunkt sei hier vor allem der Fokus auf Mehrsprachigkeit der Lernenden und ihrer Familien. Mehrsprachige Kinder und Jugendliche sind in deutschen Schulen Realität. Das UNESCO Erziehungsziel der Dreisprachigkeit ist bei sehr vielen Kindern und Jugendlichen bereits erreicht. Da es sich bei der Muttersprache der Neuzugewanderten aber nicht (ausschließlich) um Sprachen wie Französisch, Spanisch oder Englisch handelt, wird die Mehrsprachigkeit oftmals eher als Bildungsnachteil verstanden. Häufig herrscht in Schulen noch immer ein monolingualer Habitus. Genau an dieser Stelle sei es Aufgabe der kommunalen Verantwortungsträger, Sprachbildung und Mehrsprachigkeit in den Fokus gesamtstädtischer Bildungsstrategien zu rücken.

Worauf kommt es bei der Umsetzung an? Was sind die Bedingungen, damit es funktioniert?

  • Herkunftssprache als Kapital – eine Frage der Haltung: Mehrsprachigkeit wird von relevanten Akteuren als Ressource wahrgenommen
  • Auf Verwaltungsebene wird primär in Verantwortlichkeiten und nicht in Zuständigkeiten gedacht, um Ressourcen und Aufgaben effektiv zu bündeln. Gesamtstrategien und Handlungskonzepte durchgängiger Sprachbildung werden hierzu ressortübergreifend konzipiert.
  • Kooperation und Transparenz: Sprachbildungskonzepte werden durchgehend bzw. übergreifend entwickelt und beziehen sich konkret auf den jeweiligen Sozialraum. Bildungsakteure erhalten Unterstützung bei der Vernetzung vor Ort, um die Durchgängigkeit zu gewährleisten.
  • Aus-, Fort-, und Weiterbildung von Lehr- und Fachkräften (vermehrt auch mit Migrationshintergrund/Fluchterfahrung)
  • Unterstützung im Hinblick auf Deutsch als Zweitsprache (DaZ), Deutsch als Fremdsprache (DaF) bzw. Mehrsprachigkeit, Interprofessionelle Zusammenarbeit, Zusammenarbeit mit Eltern

„Mannheim hat immer auf Migration und Zuwanderung gesetzt“
Gespräch mit Lutz Jahre, Fachbereichsleiter Bildung der Stadt Mannheim, und Dr. Lutz Liffers, eh. Leiter der Transferagenturen für Großstädte

Im darauffolgenden Gespräch zwischen Dr. Lutz Liffers und Lutz Jahre lag der Blick auf der Gesamtstrategie der Stadt Mannheim. Die 2007 entwickelte Strategie setzt Bildung als Priorität im städtischen Gesamtvorhaben.

Die Gesamtstrategie der Stadt Mannheim

  • Mannheim hat acht strategische Leitziele, von denen drei direkt den Bereich Bildung betreffen: Talente fördern, Toleranz leben und Bildungsgerechtigkeit erhöhen. Ausgangspunkt war hierbei der Mannheimer Bildungsbericht, aus dem wiederum der Entwicklungsplan „Bildung und Integration“ entstand.
  • Das gesamte Verwaltungshandeln und -steuern ist ressortübergreifend an den Strategiezielen ausgerichtet. Zu jedem dieser Teilziele wurden konkrete Handlungsempfehlungen für die jeweiligen Bereiche entwickelt.
  • Der Entwicklungsplan „Bildung und Integration“ soll in einem nächsten Schritt – über die interne Verwaltungsebene hinaus – für alle freien Träger geöffnet werden, sodass gemeinsam eine gerechte Bildungslandschaft geschaffen werden kann.
  • Der bereits 2007 angestoßene Prozess der Gesamtstrategie in Mannheim führte dazu, dass die Stadt bei der Koordinierung der Neuzugewanderten auf ein Netzwerk von Kooperationen zurückgreifen konnte. Zwar werden der Stadt aufgrund ihrer Aufgabe als Landeserstaufnahmestelle (LEA) keine Geflüchteten zugewiesen. Doch, da viele junge Geflüchtete teilweise mehrere Monate in der LEA verweilen, möchte die Stadt bildungsspezifische Angebote schaffen und arbeitet konkret an einer Willkommensschule.
  • Eine solche Gesamtstrategie aufzubauen und umzusetzen, ist natürlich ein längerer Prozess. Dazu benötigt es ein klares Bekenntnis der Akteure, vor allem der Verwaltungsspitze.

„Bildung braucht Sprache“
Svenja Butzmühlen, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung

Svenja Butzmühlen stellte das Projekt „Bildung braucht Sprache“ vor. Das Programm begleitet seit 2013 ausgewählte Kitas und Grundschulen in NRW und berät diese jeweils in Tandems im Bereich Sprachbildung und -förderung. Durch Praxisbegleiter, Fortbildungen, Austausch, Input, Netzwerktreffen und finanzielle Mittel sollen Pädagoginnen und Pädagogen auf eine qualitativ hochwertige Sprachbildung und -förderung zurückgreifen können. Das Programm läuft aktuell in den vier Modellregionen Bonn, Kreis Warendorf, Herten und Mühlheim noch bis Ende 2016. Durch eine wissenschaftliche Begleitung der eduCERT GmbH wird nach Ablauf des Programms ein Qualitätsentwicklungsinstrument bzw. -leitfaden für Praxis und Theorie zu Verfügung stehen.

Zentrale Erfolgsfaktoren der Beratung sind hier:

  • die Vernetzung der Institutionen in der lokalen Bildungslandschaft
  • sowie der fortlaufende Transfer von Wissen und Erfahrungen

Um das aufgebaute Netzwerk langfristig weiterzuführen und für andere Schulen innerhalb der Kommunen zugänglich zu machen, bedarf es nun vor allem der strukturellen Verankerung dieser Ansätze auf kommunaler Ebene.

Stadt der Sprachen: Vom Projekt zur Strategie
Dr. Lutz Liffers, eh. Leiter Transferagenturen für Großstädte

Unsere Gesellschaft ist im Wandel und Sprachenvielfalt gewinnt zunehmend an Bedeutung. Im Gegensatz zu den sprachlich relativ homogenen Einwanderungsgruppen der 1960er und 1970er hebt sich die Zuwanderung in den darauffolgenden Jahrzenten durch eine zunehmende Diversifizierung ab. Durch die Ausdifferenzierung von Herkunftsregionen aber auch religiöser, sozialer und politischer Zugehörigkeiten und der einhergehenden Formierung neuer Identitäten der Folgegenerationen ist eine neue Art der Superdiversität in Großstädten entstanden. Als Antwort auf die sich wandelnde Bedarfslage bieten viele Akteure der formalen, informalen und non-formalen Bildung eine große Anzahl an Sprachbildungsansätzen und Sprachgelegenheiten an. Und dies ist essentiell, denn die hohe Komplexität vor Ort erfordert gerade diese Vielfalt an Konzepten, Programmen und Projekten. Dennoch verträgt sie keine Beliebigkeit. Kommunalverwaltungen sind hier besonders gefordert diese Akteurs- und Programmlandschaft effektiv zu steuern und durch übergreifende Handlungsstrategien miteinander zu verzahnen und aufeinander abzustimmen. Dazu gehören:

  • Eine explizite Strukturentwicklung/explizites Netzwerkmanagement
  • Monitoring zur Basierung von Zielen und Überprüfung von erreichten Wirkungen
  • Verankerung im kommunalen Bildungsmanagement

Wo wir stehen – Wo wir hinwollen
Am zweiten Tag stellten Kommunalvertreter aus verschiedenen Regionen anhand von Strukturmodellen ihre jeweiligen Sprachbildungsstrategien zur Diskussion.

  • Freiburg: Stadtteilbezogene Modellverbünde „Durchgängige Sprachbildung“ , Linda Steger
  • Wuppertal: „Sprachschätze“ – Sprachbildungsnetzwerke Kommunales Integrationszentrum, Susanne Grundmann, Susanne Weinbach, Ulrike Trapp
  • Niedersächsische Sprachbildungszentren, Dr. Ina Baumann
  • Wolfsburg: Gesamtstädtische Sprachbildungsstrategie, Dr. Maren Risch

Beispiel Freiburg: Stadtteilbezogene Modellverbünde „Durchgängige Sprachbildung“
Linda Steger, Stellvertretende Leitung Bildungsbüro Freiburg

Der Grundstein für die Umsetzung einer umfassenden Sprachbildungsstrategie in Freiburg wurde bereits während der Programmlaufzeit von „Lernen vor Ort“ gelegt. In dieser Zeit etablierte die Kommune ein umfassendes Bildungsmanagement und entwickelte Strukturen, die alle relevanten Akteure innerhalb der Verwaltung zusammenbrachten. Für die Entwicklung der Sprachbildungsstrategie konnte man sich aus diesem Grund auch auf bereits bestehende Strukturen berufen wie den Steuerkreis Freiburger Bildungsmanagement.

Über den Prozess und die Notwendigkeit einer gesamtstädtischen Strategie im Bereich Durchgängiger Sprachbildung spricht Linda Steger im Interview.

Abschließend machte Kathrin Flaspöler auf das Bundesprogramm „Kommunale Koordinierung der Bildungsangebote fuür Neuzugewanderte“ aufmerksam. Mit dem Förderprogramm ermöglicht das Bundesministerium für Bildung und Forschung allen Kreisen und kreisfreien Stadten die Einstellung von kommunalen Bildungskoordinatorinnen und -koordinatoren. Ziel ist es, die Bildungsangebote für Neuzugewanderte vor Ort zu koordinieren und dabei auf bereits vorhandene Strukturen zurückzugreifen. Die Fördermaßnahme ist eingebettet in die „Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement“ und wird flankiert durch die Arbeit der Transferagenturen. Die Transferagenturen für Großstädte bieten Veranstaltungen zum Thema an und unterstützen interessierte Kommunen bei der Antragsstellung sowie bei der Umsetzung.
Förderrichtlinie, FAQ zur Förderrichtlinie, Richtlinien für Zuwendungsanträge auf Ausgabenbasis (AZA) und weitere Unterlagen unter www.transferagenturen.de/bildung-fuer-neuzugewanderte.php

Das nächste Treffen der Fachgruppe „Diversität und Bildung“ wird im November 2016 zusammen mit der Fachgruppe „Kooperation Kommune und Zivilgemeinschaft“ in Münster stattfinden. Bearbeitet wird die Frage nach der strategischen Steuerung der Integration Neuzugewanderter ins kommunale Bildungsmanagement.

Hier kommen Sie zur Anmeldung und finden weitere Informationen.

Ansprechperson