Partizipation als Schlüssel?

Integrierte Schulentwicklungsplanung und Gesamtkonzept Ganztag in Frankfurt am Main
Schreibende Hand

Schulen werden als Lern- und Lebensorte immer wichtiger und übernehmen zunehmend Aufgaben über ihren „klassischen“ pädagogischen Auftrag hinaus. Seit 2006 ist in Frankfurt a. M. die Zuständigkeit für die schulische Jugendhilfe mit den Schulträgeraufgaben verbunden. Außerdem ist das Stadtschulamt seit Jahrzehnten auch Träger der öffentlichen Jugendhilfe und damit zuständig für den Bereich Kindertagesbetreuung. Angesichts der komplexen Herausforderungen, vor denen Schulen stehen, hat sich die Stadt im Jahr 2014 unter dem Namen „Frankfurt macht Schule“ auf den Weg gemacht, die Schulentwicklungsplanung integriert und beteiligungsorientiert aufzustellen und an die kooperativen Verwaltungsstrukturen anzuknüpfen. Im Jahr 2019 kam das Gesamtkonzept Ganztag hinzu. Monika Ripperger, Leiterin der Stabsstelle Pädagogische Grundsatzplanung beim Stadtschulamt Frankfurt a. M., und Maren Hullen, Bildungsplanerin der Stabsstelle Pädagogische Grundsatzplanung Stadtschulamt Frankfurt a. M., haben der Transferagentur für Großstädte den Ansatz Frankfurts vorgestellt, Schulentwicklungsplanung und die Planungen zum Ganztag integrativ und partizipativ zu gestalten.

Ein neuer Ansatz: beteiligungsorientierte integrierte Schulentwicklungsplanung 

Mit dem partizipativen Prozess „Frankfurt macht Schule“ hat die Stadt im Jahr 2014 begonnen, die Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung miteinander zu verbinden. Dazu wurden zuerst sonderpädagogische Angebote sowie Jugendhilfeangebote am Ort Schule mit in die Schulentwicklungsplanung integriert und diese um andere weichere Querschnittsthemen im Bildungsbereich erweitert. „Als Schulträger haben wir uns nicht nur das klassische Feld der Schulorganisationsmaßnahmen nach dem hessischen Schulgesetz angeschaut, sondern auch Themen wie Ganztag, Kommunikation, Beteiligung, Übergänge und Inklusion einbezogen und sind damit weit über die klassische Zuständigkeit eines Schulverwaltungsamtes hinausgegangen“, berichtet Maren Hullen. Zudem stellt der neue Ansatz Partizipation und Dialog in den Mittelpunkt, um ein qualitativ hochwertiges Schulangebot zu gewährleisten. „Schulentwicklungsplanung funktioniert dann gut, wenn das Wissen der Menschen vor Ort einbezogen wird“, erklärt Maren Hullen. Eltern, Lehrkräfte, Politik, Wissenschaft und viele weitere, die an Schule beteiligt sind, konnten ihre Ideen und Wünsche einbringen, um Frankfurter Schulen für die Zukunft gut aufzustellen. 

Leitprinzipien der Schulentwicklungsplanung 

„Mit dem integrierten Schulentwicklungsplan wurde nicht nur quantitativ auf die vielfältigen Herausforderungen reagiert, sondern auch qualitative Themen in den Fokus genommen“, führt Maren Hullen weiter aus. Dies spiegeln die drei Leitprinzipien wider, die im Mittelpunkt des Schulentwicklungsplans stehen: vom Kind aus denken – Regionalisierung – Vielfalt. 

Im Kern zielen die integrierte Schulentwicklungsplanung und somit alle organisatorischen und politischen Maßnahmen darauf ab, das Wohl der Kinder und ihre Bildungschancen und Möglichkeiten in der Schule zu verbessern.

Im Schulentwicklungsplan sind neun Gestaltungsfelder (u. a. Regionalisierung, Infrastruktur, Inklusion, Ganztag, Übergänge) identifiziert worden, die in sechs festgelegten Bildungsregionen innerhalb der Stadt umgesetzt werden. „Wir arbeiten aktiv mit den Akteurinnen und Akteuren in den Bildungsregionen zusammen, um z. B. Rückmeldungen zu den Maßnahmen zu erhalten, die sich nicht rein aus den Zahlen ableiten lassen“, beschreibt Maren Hullen das Vorgehen. Sie betont, dass konkrete Handlungsstrategien nur im gemeinsamen Dialog entwickelt werden können. Ohne den sozialräumlichen Austausch würde ein Schulentwicklungsplan Gefahr laufen, nicht in die Praxis umgesetzt zu werden. „In Frankfurt wird angewandte Schulentwicklungsplanung mit den Menschen vor Ort gemacht, sonst wäre es ja nur ein wissenschaftliches Werk, das im Zweifel in der Schublade landet“, bringt es Maren Hullen auf den Punkt. 

Schulentwicklungsplanung funktioniert dann gut, wenn das Wissen der Menschen vor Ort einbezogen wird.

Maren Hullen, Bildungsplanerin der Stabsstelle Pädagogische Grundsatzplanung Stadtschulamt Frankfurt a. M.

Die beteiligungsorientierte Praxis hat sich in Frankfurt bewährt. In diesem Jahr ist ein weiterer Dialogprozess zum Gesamtsystem von Bildung, Erziehung und Betreuung geplant, der qualitative Themen der Kindertagesbetreuung und des Ganztages aufnimmt und sie mit den Gestaltungsfeldern der integrierten Schulentwicklungsplanung verknüpft.

Auf guten Erfahrungen aufbauen: Gesamtkonzept Ganztag

Auch für die Entwicklung des Gesamtkonzepts „Ganztägig arbeitende Grundschulen“ hat Frankfurt einen Beteiligungsprozess aufgesetzt, der im Februar 2019 begonnen hat. Er baut auf den guten Erfahrungen aus der integrierten Schulentwicklungsplanung auf und schließt in Form und Inhalt daran an. Wichtige Ziele und Maßnahmen wurden dazu bereits im Gestaltungsfeld Ganztag des integrierten Schulentwicklungsplans beschrieben. „In Frankfurt existierte ein bunter Blumenstrauß von Formaten im Bereich Ganztag. Wir wollten die verschiedenen Formate zu einem Gesamtkonzept zusammenführen, um das Angebot überschaubarer zu gestalten und ein einheitliches Ganztagsprogramm für die Stadt Frankfurt zu entwickeln“, erzählt Monika Ripperger. 

Im Gesamtkonzept Ganztag hat sich Frankfurt zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 an über 90 Prozent der Grundschulen ein Ganztagsangebot sicherzustellen. Die Schaffung ausreichender Plätze ist jedoch nur ein kleiner Teil des Gesamtkonzeptes. Frankfurt strebt an, nicht nur den quantitativen Mehrbedarfen an Ganztagsplätzen gerecht zu werden, sondern auch unterschiedliche Maßnahmen anzubieten, um einen qualitativ hochwertigen Ganztag gewährleisten zu können. 

Der Beteiligungsprozess war darauf ausgerichtet und hat viele Impulse geliefert. 

Wir haben eine gewisse Routine bei Beteiligungsprozessen entwickelt.

Monika Ripperger, Leiterin der Stabsstelle Pädagogische Grundsatzplanung beim Stadtschulamt Frankfurt a. M.

Im Mittelpunkt standen thematische Werkräume, in denen unterschiedliche Akteur:innen verschiedene Gestaltungsfelder für den Ganztag entwickelt und sich gegenseitig über Herausforderungen und Ziele ausgetauscht haben. „Aufbauend auf den drei Leitprinzipien, die auch bereits im Schulentwicklungsplan im Mittelpunkt standen, wurden Maßnahmen erarbeitet, um einen guten Ganztag umzusetzen“, erklärt Monika Ripperger. 

Die Perspektive von Kindern wurde in dem Prozess gezielt aufgenommen. An drei Frankfurter Grundschulen wurden Kinder befragt – zu ihren Erfahrungen in der Ganztagsschule und zu ihren Wünschen, die sie an einen guten Ganztag haben. Außerdem konnte sich der Stadtelternbeirat einbringen, um Chancen und Herausforderungen der Ganztagsplanungen zu reflektieren. Ein zentraler Schwerpunkt ist, dass sich Schule gegenüber den Bildungsquartieren öffnet und formale, non-formale sowie informelle Bildungsbereiche für einen guten Ganztag ineinandergreifen. Bei der Umsetzung müssen Schule und Quartier fortlaufend unterstützt werden. Dies setzt eine enge Kooperation von Schule, Horteinrichtungen und weiteren Akteur:innen aus dem Bildungsquartier voraus: „Das ist die Königsklasse des Ganztages“, stellt Monika Ripperger fest. Im Gesamtkonzept Ganztag wird dieser Herausforderung Rechnung getragen. Auch deshalb nehmen neun Grundschulen an einer Pilotphase teil, in der die Praxistauglichkeit der einzelnen Maßnahmen vorab getestet wird und die Grundschulen dabei kontinuierlich Unterstützung erhalten.

Ausblick: Planungsprozesse im Bereich Bildung im stetigen Wandel aber immer partizipativ

 In Frankfurt wird Schulentwicklungsplanung als ein fluider Prozess verstanden, bei dem die gewählten Methoden, die erhobenen Daten und vereinbarten Ziele fortlaufend hinterfragt werden. Gute Schulentwicklungsplanung basiert nicht nur auf statistischen Erhebungen, sondern lebt durch die Beteiligung der Menschen in den Quartieren vor Ort. Auf große Herausforderungen wie den Rechtsanspruch auf Ganztagbetreuung an Grundschulen ist man auch deshalb gut vorbereitet. Das Wissen und die guten Erfahrungen, die durch die kooperativ-partizipativ und integrative Ausrichtung der Schulentwicklungsplanung bereits gesammelt wurden, waren die Grundlage für das Gesamtkonzept Ganztag.

In Frankfurt folgt die Schulentwicklungsplanung einem klaren Kompass und der wird nicht durch die Verwaltung vorgegeben, sondern richtet sich nach den Wünschen und Lebensrealitäten der Kinder und Jugendlichen vor Ort: „Wir müssen sinnvolle Instrumente der Beteiligung finden, um die richtigen Fragen zu stellen. Dabei ist es wichtig, diese Instrumente mit Daten gut zu unterfüttern. Das führt zu guten Beschlüssen und schließlich zu guten Prozessen mit den Menschen“, erklärt Monika Ripperger. Der nächste Schritt ist bereits geplant: „Jetzt machen wir den nächsten Dialogprozess und fassen auch die Kita-Entwicklungsplanung mit der integrierten Schulentwicklungsplanung zusammen“, sagt Maren Hullen mit Blick auf den weiteren Verlauf. Es bleibt also spannend in Frankfurt und man darf neugierig auf die weiteren Entwicklungen der Stadt schauen.

Weiterführende Informationen 

Gesamtkonzept ganztägig arbeitende Grundschulen. Stadt Frankfurt am Main (2020)  

Frankfurt macht Schule (iSEP) 

 

Dieser Text ist Teil des Themendossiers "Kommunale Schulentwicklungsplanung: Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten in Zeiten wachsender Großstädte", das im September 2022 veröffentlicht wurde. 

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