
Die folgende Reportage finden Sie in unserem bewegt-Magazin "#vernetzt #divers #agil: Wie Kommune die Zukunft der Bildung gestaltet".
Die Anne-Frank-Gesamtschule liegt etwas versteckt zwischen Mehrfamilienhäusern in der Dortmunder Nordstadt. Der Stadtbezirk beginnt direkt hinter dem Hauptbahnhof, viele Altbauten prägen das Straßenbild, mal schick, mal heruntergekommen. Die kulturelle und soziale Vielfalt des Viertels ist einerseits eine große Bereicherung für die Bewohnerinnen und Bewohner, andererseits bringt sie viele wirtschaftliche, soziale und städtebauliche Herausforderungen mit sich. Die Nordstadt ist superdivers. Ein Viertel des Ankommens: In den fünfziger und sechziger Jahren waren es die ersten sogenannten Gastarbeiter, die hier eine neue Heimat fanden, zuletzt kamen viele EU-Bürgerinnen und -Bürger aus Rumänien und Bulgarien sowie Geflüchtete in die Nordstadt. Auch gibt es eine hohe Fluktuation in der Bevölkerung. Viele bleiben nur kurz und ziehen dann weiter. Eine weitere Herausforderung ist, dass viele Menschen, die in der Nordstadt leben, von Transferleistungen abhängig sind. Beides möchte Bernd Bruns, seit drei Jahren Leiter der Anne-Frank-Gesamtschule, ändern: „Wir wollen die Übergänge in Ausbildung steigern und den Schülern eine gute Anschlussperspektive ermöglichen.“ Vor allem möchte er, dass die Schülerinnen und Schüler, wenn sie einmal fertig mit Schule und Ausbildung sind, in der Nordstadt bleiben.
„Ausbildungspakt Starke Nordstadt“ bereitet auf den Übergang in eine duale Ausbildung vor
Hier finden Sie weiterführende Informationen zum Stadtteil.







Carsten Mielke ist für das Projekt zuständig und möchte, dass der Ausbildungspakt nicht nur ein Projekt in der Schule ist, sondern sich auch in den Stadtteil, in den Sozialraum öffnet, sei es durch soziale Projekte vor der eigenen Haustür oder Ausbildungsbetriebe in der Nähe des Wohnorts. Außerdem übernimmt das Regionale Bildungsbüro die Betriebsakquise, tauscht sich mit weiteren Partnern wie der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer oder der Agentur für Arbeit aus. Carsten Mielke fasst es so zusammen: „Unser Job ist es, die Akteure an einen Tisch zu bringen, aber auch gemeinsam Ideen zu entwickeln, wohin es gehen soll und was wir dafür brauchen. Alle Partner sollten sich darauf einlassen, auch gedanklich Institutionsgrenzen einzureißen.


Unser Job ist es, die Akteure an einen Tisch zu bringen, aber auch gemeinsam Ideen zu entwickeln, wohin es gehen soll und was wir dafür brauchen.
Carsten Mielke, Regionales Bildungsbüro DortmundWir haben hier unterschiedliche Systeme, die aufeinandertreffen: etwa das System Schule auf das System Arbeitswelt.“ Er vermittelt zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern, wirbt für gegenseitiges Verständnis und motiviert, wenn vielleicht nicht alles rund läuft: „Wir brauchen ein starkes Netzwerk, um Jugendliche zielgerichtet auf eine duale oder berufliche Ausbildung vorzubereiten.“ Seine Kollegin Christina Luchmann ist Bildungsmanagerin im Regionalen Bildungsbüro im Fachbereich Schule der Stadt Dortmund und verdeutlicht die Herausforderung dieses Übergangs: „Überfordernd kann das Entscheidungsmanagement sein. In Deutschland gibt es mehr als 500 Ausbildungsberufe. Für uns als Akteure ist es schon nicht immer einfach, den Überblick zu behalten. Und dann müssen sich die Jugendlichen klar werden, was kann ich und was passt zu mir.“ Bernd Bruns weiß, wie wichtig die Rolle des Bildungsbüros für das Projekt ist: „Ohne ein Back-Up wie das Bildungsbüro wäre so ein Projekt nicht zu stemmen. Es braucht einen Critical Friend. Wir als Schule müssen bereit sein, jemanden von außen Einblicke zu gewähren. Das ist oft auch angstbesetzt.“


Ohne ein Back-Up wie das Bildungsbüro wäre so ein Projekt nicht zu stemmen. Es braucht einen Critical Friend. Wir als Schule müssenbereit sein, jemanden von außen Einblicke zu gewähren. Das ist oft auch angstbesetzt.
Bernd Bruns, Leiter der Anne-Frank-GesamtschuleÜbergänge sind immer turbulent
Nahtlos an die Grundschule anknüpfen


Wir sind nicht die Schule, bei der man Bildungsbiografien anfängt, sondern wir setzen sie fort. Daher ist es wichtig zu wissen, was die Kinder vorher gelernt und gemacht haben und was sie brauchen. So können wir vermeiden, ihnen einfach ein System überzustülpen.
Svenja Pfeiffer, Lehrerin an der Anne-Frank-GesamtschuleNiemand soll die Schule ohne Abschluss verlassen
Bernd Bruns und sein Kollegium setzen sich dafür ein, dass niemand ohne Schulabschluss die Anne-Frank-Gesamtschule verlässt, um die Chancen für einen guten Übergang zu wahren. In der „Ich pack das“-Klasse sind vor allem Jugendliche, die erst einmal wieder an das System Schule herangeführt werden müssen. Rainer Rohmer kümmert sich zusammen mit Isabelle Spieker um diese Schülerinnen und Schüler. Er sagt: „In dieser Klasse sind vor allem Schüler, die in der 8. Und 9. Klasse ihre Schulpflicht erfüllt haben und dann abgewickelt werden ohne einen Schulabschluss. Wir bieten ihnen die Möglichkeit eines Langzeitpraktikums über ein Jahr. Sie sind drei Tage bei uns und zwei Tage machen sie ein Praktikum.“ Zusammen mit Grünbau gGmbH, einem freien Träger, schauen alle Beteiligten, was die Jugendlichen interessieren könnte: „Durch die Kooperation mit Grünbau haben wir die Chance auf Übergänge. Wenn die Kinder dort waren und man einander schon kennt, ist es hinterher auch einfacher, zum Beispiel eine Berufsvorbereitung zu machen.“ Die Gebäude von Grünbau liegen auch in der Nordstadt, nicht weit von der Schule entfernt. Angela Dietz ist eine der Ansprechpartnerin dort: „Zunächst ist es wichtig, dass wir in Kontakt mit den Jugendlichen kommen. Dabei knüpfen wir an ihren Ressourcen an und schauen, was sie können und vor allem, wo ihre Interessen liegen. Wir ermutigen und motivieren sie, einen Abschluss zu bekommen.“ Die Schülerinnen und Schüler können bei Grünbau einen der Werkbereiche besuchen, etwa die Metallwerkstatt, die Kreativwerkstatt oder soziale Dienstleistung, um verschiedene Berufsfelder kennenzulernen. Die Anne-Frank-Gesamtschule arbeitet seit vielen Jahren mit Grünbau zusammen. In dieser Netzwerkarbeit entwickeln sie gemeinsam Ideen, wie die Kinder und Jugendlichen am besten unterstützt und begleitet werden können.
Beliebtheit der Schule steigt
Bernd Bruns sagt abschließend: „Unsere Schule war in den letzten Jahren in schwierigem Fahrwasser, aber unsere Arbeit und unsere Projekte strahlen in die Nordstadt aus. Gemeinsam möchten wir diesen Stadtteil des Ankommens in einen Stadtteil des Bleibens verwandeln. Und das geht vor allem über Bildung.“ Er und sein Kollegium sind auf einem guten Weg. Der Ruf der Schule hat sich verbessert, Schülerinnen und Schüler sind wieder stolz, Teil der Anne-Frank-Gesamtschule zu sein und das Projekt Ausbildungspakt Starke Nordstadt“ zeigt erste Erfolge. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die direkt nach dem Abschluss mit einer Ausbildung beginnen, ist deutlich gestiegen. Alle sind zuversichtlich, dass auch der nächste Jahrgang mit Hilfe des Netzwerks erfolgreich den Übergang meistert.
Informationen zur Arbeit des Regionalen Bildungsbüros finden Sie hier.