
Ein Beitrag von Manuela Dorsch von der Initiative Kommune 360°. Dieser Text erschien erstmalig in der Ausgabe 1/2022 des TANORAMA, dem Magazin der Transferagentur Nord-Ost
Kommunale Strukturen, Wirkungsorientierung und Bildung – die Ausgangslage
Das Konzept Wirkungsorientierung ist auf kommunaler Ebene mit vielen unterschiedlichen Erwartungen und Ansprüchen verbunden. Ob man den Diskursen im Feld der integrierten Jugendhilfeplanung folgt, auf dem Weg nach passenden Lösungen im kommunalen Bildungsmanagement ist oder in anderen Bereichen der kommunalen Steuerung – überall ringen Akteur:innen um Anspruch, Erwartungen und Machbarkeit von Wirkungsorientierung. Mitarbeitende im kommunalen Bildungsmanagement möchten die Qualität der eigenen Arbeit sichern und sichtbar machen.
Vertreter:innen der Kommunalpolitik verbinden Wirkungsorientierung häufig mit klaren Aussagen darüber, welche Projekte und Maßnahmen funktionieren und Ergebnisse erzielen. Dahinter verbirgt sich der Wunsch nach eindeutigen Rückschlüssen, um politische Entscheidungen klar treffen zu können und öffentliche finanzielle Mittel bestmöglich einzusetzen.
Warum ist Wirkungsorientierung in der kommunalen Praxis knifflig?
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Wie können Wirkungen nachgewiesen werden? Wie kann man die Wirksamkeit steigern?
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Welche Ansprüche können an Wirkungsorientierung erhoben werden? Und wie machbar und praktisch ist das? Was versteht man unter Wirkungsorientierung?
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Wie kann man wirkungsorientiert vorgehen, wenn das Ursache-Wirkungs-Prinzip an Grenzen stößt, weil das Zusammenspiel in kommunalen Steuerungssystemen multiperspektivisch ist und von verschiedenen Akteursgruppen mit unterschiedlichen Wissens- und Erfahrungshintergründen geprägt ist?
Oftmals tauchen auf dem Weg Missverständnisse auf und Ansprüche gehen auseinander.
Ein Beispiel: Besucht ein junger Mensch ohne Ausbildungsplatz eine Bewerbungstraining, so wären eingetretene Wirkungen, dass die Person im Anschluss weiß, wie man bessere Bewerbungen schreibt und das erlernte Wissen anwendet. Sie schreibt nun qualitativ bessere Bewerbungen. Die Chancen auf einen Ausbildungsplatz und ein selbstbestimmtes Leben steigen – dadurch verbessert sich langfristig auch die Lebenslage dieser Person. Die Herausforderung ist jedoch, dass es in der Praxis häufig nicht so einfach ist, genau nachzuvollziehen, wie das eigene Handeln sich auf die Zielgruppen auswirkt: Hat das Bewerbungstraining wirklich zu einem Wissenszuwachs geführt? Verhält sich die Person danach anders? Oder haben andere Faktoren zur Verhaltensänderung geführt? In dem vorherigen Beispiel hat etwa das Angebot an Ausbildungsplätzen in der Region einen Einfluss auf den persönlichen Erfolg bei den Bewerbungen – auch nach einem effektiven Bewerbungstraining.
Soziale Realitäten sind komplex. Lineare Ursache-Wirkung-Beziehung von Angeboten und Maßnahmen bieten zwar Orientierung im operativen Tun, werden aber durch vielfältige Faktoren beeinflusst. Die Wirksamkeit der kommunalen Bildungslandschaft ist sowohl durch die Wirksamkeit ihrer verschiedenen Einzelmaßnahmen bestimmt als auch durch deren Zusammenspiel. Demzufolge gilt es, die Zusammenarbeit von Akteur:innen so auszurichten, dass eine wirksame und ganzheitliche Bildungslandschaft gemeinsam gestaltet wird.
Impulse: Wie kann es gelingen, wirkungsorientiertes Arbeiten zu stärken?
Wie können kommunale Akteure einen Benefit aus wirkungsorientiertem Arbeiten ziehen und abgestimmte Angebote im Sinne der Zielgruppe entwerfen? Im Folgenden finden Sie einige Tipps, wie Sie zielgerichtet mit dem Konzept der Wirkungsorientierung arbeiten können:
Erwartungen abgleichen und sich darüber verständigen: Wirkungsorientierung ist mit verschiedenen Erwartungshaltungen verbunden. Kommunale Akteur:innen haben ein unterschiedliches Verständnis und Vorwissen hinsichtlich des Themas. Deshalb ist es hilfreich, Transparenz über Potenziale und Grenzen von Wirkungsorientierung herzustellen und Klarheit über Begrifflichkeiten zu schaffen. So gelingt es eine ein gemeinsames Verständnis sowie eine gemeinsame Sprache zu schaffen und eine zukünftige Arbeitsgrundlage im Feld Wirkungsorientierung zu etablieren.
Rückgriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse für die eigene Arbeit: Welche wissenschaftlichen Studien gibt es in relevanten Themenfeldern bereits? Welche Ableitungen lassen sich daraus für die eigene Arbeit vor Ort ziehen? Das Arbeiten mit wissenschaftlichen Erkenntnissen schont kommunale Ressourcen und setzt Impulse.
Kommunale Daten zusammenführen: Bereits durch ein Zusammenführen und einem Prüfen der Vergleichbarkeit kommunaler Daten lassen sich neue Erkenntnisse gewinnen. Erst der nächste Schritt sollte es sein, selbst Daten zu erheben, da dies mit einem erheblichen Ressourcenaufwand verbunden ist. Wenn Daten erhoben werden, können folgende Reflexionsfragen helfen: Wer soll mit den Daten was tun? Welches Erkenntnisinteresse haben die Akteure vor Ort?
Perspektivenvielfalt nutzen: Der kommunale Bildungsbereich zeichnet sich durch eine fachliche Perspektivenvielfalt aus. Als klassisches Querschnittsthema sind Akteur:innen aus verschiedenen Verwaltungsressort ebenso beteiligt wie Fachkräfte außerhalb der Verwaltung. Diese Perspektivenvielfalt sollte aktiv und bewusst genutzt werden. Im Sinne einer Wirkungsplausibilisierung kann eine heterogene Verantwortungsgemeinschaft zusammen mit den Adressat:innen lernen und die eigenen Angebote iterativ weiterentwickeln. Wirksame Maßnahmen können beibehalten werden, Anpassungen dort, wo nötig, vorgenommen werden. In einem vielfältigen Umfeld hilft die Haltung, dass Daten zwar objektiv sind, die aus Daten abzuleitenden Handlungen aber je nach fachlicher Perspektive unterschiedlich sind und gemeinsam ausgehandelt werden müssen.
Wirkungsorientierung strukturell verankern: Um Wirkungsorientierung nachhaltig in der kommunalen Bildungslandschaft zu verankern, kann es hilfreich sein, Routinen in den kommunalen Strukturen und Prozessen zu verankern. Denkbar sind etwa regelmäßige Wirkungsdialoge mit einer gemeinsamen Analyse der aktuellen Datenlage. Auch regelmäßige lessons learned sessions oder die Auszeichnung von wirkungsorientierten Champions sind Möglichkeiten, das Thema Wirkungsorientierung im operativen Alltag zu platzieren.
Haltung zum gemeinsamen Lernen in der Bildungslandschaft: Wirkungsplausibilisierung als Anlass zur Kompetenzentwicklung auf individueller und Systemebene
Wirkungsorientierung ist ein Konzept, das Perspektivenvielfalt sowohl mit Blick auf Herausforderungen als auch bei der Entwicklung von Lösungen benötigt. Wirkungsorientierte Steuerung ist immer auch prozessorientiert, beteiligungsorientiert, dialogorientiert und kooperativ.
Gemeinsames wirkungsorientiertes Arbeiten im Bildungsbereich bietet also auch einen Anlass, umfassendere Fragen zu stellen: Welche Kompetenzen brauchen individuelle Akteur:innen, um in heterogenen Kontexten erfolgreich zu kooperieren? Wie kann es gelingen, konstruktiv mit Zielkonflikten umzugehen? Was bedeutet ressort- und akteursübergreifende Zusammenarbeit für die Prozesse und Strukturen der kommunalen Verwaltung? Wie können diese an Herausforderungen im Bildungsbereich angepasst werden, um zukünftig agil und bedarfsorientiert auf Veränderungen wie beispielsweise globale Fluchtbewegungen und deren Einfluss auf das lokale Bildungssystem reagieren zu können?
Die aufgeführten Reflexionsfragen zeigen den Gestaltungsspielraum, der im kommunalen Bildungsbereich liegt, wenn es um das Potenzial der Kommune der Zukunft geht. Nutzen Sie die vielfältigen Anlässe zur Kooperation sowie Ihren individuellen Gestaltungsspielraum, um gemeinsam wirkungsorientiert zu lernen und miteinander auszuhandeln, wie die kommunalen Strukturen stetig im Sinne der Adressat:innen und einer wirksamen, lokalen Bildungslandschaft weiterentwickelt werden können.
Wenn Sie dazu Anregungen möchten, schauen Sie gern auf der Website der Initiative Kommune 360° vorbei. Dort finden Sie vielfältige Impulse für wirkungsorientiertes Arbeiten in ressort- und akteursübergreifende Kontexten (mit Fokus auf Prozesse in der Jugendhilfeplanung), Hinweise auf Unterstützungsangebote sowie Veranstaltungen für kommunale Akteur:innen, die sich mit integrierten Planungsprozessen auf kommunaler Ebene beschäftigen.
Den Originalbeitrag im TANORAMA 1/2022 können Sie hier als PDF abrufen.
Manuela Dorsch ist bei der gemeinnützigen PHINEO AG im Bereich Kommunalberatung und Organisationsentwicklung sowie als Wirkungstrainerin unterwegs. In der Initiative Kommune 360° ist sie eine der Kommunenbegleiterinnen und entwickelt und betreut Unterstützungsangebote für kommunale Akteur:innen wie etwa das Planspiel zur kooperativen Jugendhilfeplanung oder den Kommunen Podcast. Dieser Beitrag ist im Kontext der Initiative Kommune 360° entstanden.