Es freut mich, dass so ein Austausch im Amt möglich ist und wir nicht nur in Zuständigkeiten denken müssen.

In Bielefeld arbeiten Bildungsbüro und Jugendhilfe eng zusammen. Ein großes Thema ist dabei die gemeinsame integrierte Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung. Im Interview erzählen Andrea Duffert, Teamleitung Jugendhilfeplanung, und Kapriel Meser, Leiter der Abteilung Bildungsbüro und Sozialarbeit, wie es zu der ressortübergreifenden Zusammenarbeit kam. Worauf es ihnen ankommt, wie junge Menschen von ihrer gemeinsamen Arbeit profitieren und was sie sich für die Zukunft wünschen. 

In Bielefeld arbeiten Jugendhilfe und Bildungsbüro eng zusammen. Wie können wir uns das vorstellen?  
 
Andrea Duffert: Wir haben für die Bereiche Schulsozialarbeit, Übergang Kita-Grundschule und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen den politischen Auftrag bekommen, zusammenzuarbeiten. Hier sind eine gemeinsame Steuerung und Koordinierung der Aufgaben vom Gesetzgeber vorgesehen.  
 
Unser Ziel ist es deshalb, die Versäulung nicht wieder aufzumachen. Wir wollen diese Themen gemeinsam angehen und nicht so aufteilen, dass ein Team nur Schule und das andere nur den Freizeitbereich betrachtet.  
 
Kapriel Meser: In diesen drei Bereichen arbeiten wir sehr eng zusammen. Zusätzlich gibt es noch Themen wie den Ganztag, die uns beide inhaltlich betreffen, ohne dass wir hier Zuständigkeiten hätten.  
 
Besonders wichtig ist uns die integrierte Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung. Natürlich geht es hier um eine Bedarfsplanung, also genügend Plätze und Flächen bereitzuhalten. Der Fokus liegt für uns aber besonders stark auf einer inhaltlichen Planung. In Zuge der Weiterentwicklung der integrierten Planung arbeiten wir nun auch regelmäßig in gemeinsamen Workshops zusammen. Im ersten Termin, der von der TAG moderiert wurde, ging es um einen Haltungsabgleich. Dabei haben wir uns mit folgenden Fragen auseinandergesetzt: Wie könnte unsere Kooperation gemeinsam ausgebaut werden? In welchen Bereichen müssen wir sie stärken? Wo ist es besonders sinnvoll, dass wir zusammenarbeiten? Und wo können wir vielleicht voneinander lernen?  
 
Wie sieht Ihre gemeinsame Arbeit im Alltag konkret aus? 
 
Kapriel Meser: Wir haben regelmäßige Arbeitstreffen zu verschiedenen Projekten. Bei dem Sprachförderprojekt Rucksack KiTa, kommt zum Beispiel zwei bis dreimal im Jahr ein Beirat zusammen. Hier sitzen Andrea und ich mit weiteren Kooperationspartner:innen, gemeinsam bilden wir eine begleitende und  beratende Ebene. Die Kolleg:innen aus unseren Teams, die das Themenfeld bearbeiten, treffen sich weitaus häufiger. Sie entwickeln die Projekte gemeinsam und gehen zusammen in die Einrichtungen. Tatsächlich lancieren wir Rucksack KiTa als ein gemeinsames Projekt. Unabhängig von den tatsächlichen Andockungen. 
 
Genauso ist das auch bei den Themenfeldern Schulsozialarbeit und Kinder- und Jugendbeteiligung. Neben den operativen und steuernden Runden, arbeiten die Kolleg:innen auf Projektebene eng zusammen. 
 
Andrea Duffert: Die Kolleg:innen, die gemeinsam mit der Koordinierung von Projekten beauftragt sind, treffen sich fast wöchentlich. So sind sie natürlich sehr eng mit den Kolleg:innen aus dem anderen Bereich verzahnt. Das ist ein schöner Austausch, von dem sie in unseren Meetings berichten.  
 
 

Zur Person: 

Andrea Duffert hat Erziehungswissenschaft studiert. Bevor sie in die Verwaltung gegangen ist, hat sie viele Jahre in der offenen Kinder- und Jugendarbeit gearbeitet. Schon zu dieser Zeit hat sie auch in übergeordneten Bereichen mitgearbeitet.  Seit 2014 ist sie Teamleitung Jugendhilfeplanung. 

Kapriel Meser ist Soziologe und über die Forschung zum Thema Bildung gekommen. Er hat an verschiedenen Universitäten zu unterschiedlichen Themen im Bildungsbereich geforscht. 2017 ist er zur Stadt gewechselt und ist nun Leiter der Abteilung Bildungsbüro und Schulsozialarbeit.

Vorhin haben Sie den politischen Auftrag zur Zusammenarbeit erwähnt: Ist dieser Auftrag der Anlass für Ihre Kooperation? 
 
Kapriel Meser: Ja, ein legitimierender Anlass. Aber es gibt noch mehr Gründe. Ich glaube, jede Person, die sich mit den Bildungsthemen beschäftigt, mit denen wir befasst sind, weiß natürlich als professioneller Mensch, dass es verschiedene Zuständigkeiten und Rechtskreise gibt. Er weiß aber auch, dass diese wenig damit zu tun haben, was Kinder und Jugendliche tatsächlich brauchen. Oder was gerade sinnvoll ist, abzustimmen. Wir haben deshalb auch eine intrinsische Motivation, vernetzt zu denken und zu handeln. All das hat wahrscheinlich in der Summe dazu geführt, den gemeinsamen Weg gehen zu wollen. 
 
Andrea Duffert: Wir haben einfach gemerkt, dass auf beiden Seiten, also bei mir in der Jugendhilfe und bei Kapriel im Bildungsbüro, Menschen arbeiten, die das Thema ähnlich verstehen und mit denen man auch mal ganz frei von Zuständigkeiten sprechen kann. Wir denken alle von den Kindern und Jugendlichen aus.  
 
Durch den Corona-Aktionsplan sind wir noch mal stärker zusammengerückt. Zu der Zeit haben wir uns sehr eng abgestimmt. Zum Beispiel darüber: Wie können wir die Mittel sinnvoll verteilen? Was brauchen die Kinder und Jugendlichen in dieser herausfordernden Zeit? 
 
Es freut mich, dass so ein Austausch im Amt möglich ist und wir nicht nur in Zuständigkeiten denken müssen. Es ist etwas völlig anderes in Teammeetings zusammen arbeiten zu können als in Gremien, die ja immer eine gewisse „Kleiderordnung“ haben. Auf diese Weise können wir informeller ins Gespräch kommen und Gemeinsamkeiten identifizieren, sodass wir unterdessen bei vielen Themen schnell in den Austausch kommen. 
 
Sie finden also immer wieder neue Themen, die Sie gemeinsam angehen wollen? 
 
Andrea Duffert: Auf jeden Fall. Unser Austausch ist sehr wertvoll. Ob es um geflüchtete Kinder und Jugendliche geht, den Kinder- und Jugendrat oder um den Konversionsprozess, den wir gerade in Bielefeld durchlaufen und bei dem wir ganze Räume für Kinder und Jugendliche gestalten wollen, eine direkte Anbindung zu den Kolleg:innen zu haben, ist immer hilfreich.  
 
Konnten Sie etwas voneinander lernen? 
 
Kapriel Meser: Ich habe auf jeden Fall etwas gelernt durch unsere Zusammenarbeit. Wenn ich jetzt nur auf Andrea blicke, und das potenziert sich natürlich, wenn ich auf ihr Team blicke, kann ich von ihr lernen, wie eine andere Profession bestimmte Dinge angeht. Das bereichert meinen Horizont ungemein.    
 
Andrea Duffert: Wir wollen den Alltag und die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen gestalten. Das sehe ich als unsere gemeinsame Aufgabe. Durch die Zusammenarbeit habe ich gelernt, den Blickwinkel zu wechseln und auch bemerkt, welchen Mehrwert dies für unsere Arbeit bringt. 
 
Welchen Mehrwert hat Ihre Zusammenarbeit – für Ihre alltägliche Arbeit und für die Kinder und Jugendlichen? 
 
Kapriel Meser: In der Verwaltung gibt es für ein Thema oft verschiedene Zuständigkeiten und Ansprechpersonen. Wir übernehmen nun sozusagen die Überwindung dieser Grenzen. Wir überlegen gemeinsam: Was braucht ein Kind oder ein:e Jugendliche:r? Was braucht die Familie? Dieser gemeinsame Planungsprozess erleichtert viel, macht einiges schneller und überbrückt die – auch manchmal sinnvollen – Zuständigkeitsunterschiede.  
 
Andrea Duffert: Dieses Voneinander-Wissen trägt sich bis in die Arbeitsebene fort. Wir haben zum Beispiel Jugendkonferenzen – nicht für die Jugendlichen selbst, sondern für alle Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen befasst sind. Diese werden von der Jugendpflege aus meinem Team herausorganisiert, aber auch die Jugendsozialarbeit nimmt an den Treffen teil. So kennen sich alle untereinander. Die Bereiche der offenen Kinder- und Jugendarbeit wissen zum Beispiel genau, an welcher Schule welche:r Schulsozialarbeiter:in tätig ist und umgekehrt. So können gemeinsame Projekte entstehen oder auch Projekte aus der offenen Jugendarbeit zu bspw. Rollenbildern oder Deeskalation an die Schulen getragen werden.  
 
Es ist immer gut, wenn aus verschiedenen Blickwinkeln auf die jungen Menschen geschaut wird. Wenn zum Beispiel ein:e Schulsozialarbeiter:in hohes Konfliktpotential bei Kindern und Jugendlichen bemerkt, berichtet er:sie davon in der Jugendkonferenz und dann schauen alle Zuständigen gemeinsam, wie es weitergeht.   
 
Wie stellen Sie sich Ihre Zusammenarbeit in fünf Jahren vor? 
 
Kapriel Meser: Ich hoffe natürlich, dass sich die Zusammenarbeit zwischen unseren Teams weiterentwickelt und noch besser und enger wird. Mein Wunsch ist, dass die Zusammenarbeit unserer Bereiche zum Standard wird. Dass sie sich so etabliert hat, dass es unumgänglich ist, Planungsprozesse abgestimmt und integriert anzugehen.  
 
Andrea Duffert: Wir haben begonnen, die Ebene über uns mit in die Pflicht zu nehmen. Wir hatten früher eine Steuerungsgruppe Jugendhilfe und Schule, an der die Dezernent:innen nicht beteiligt waren. Das hat sich nun geändert. Ich sehe das als eine sehr positive Entwicklung, auch für unsere Arbeit, wenn es beispielsweise um die Abstimmung von Vorlagen geht oder um Zuständigkeiten für bestimmte Themen. Ich hoffe, dass sich dies in fünf Jahren weiter gefestigt hat.