Ich habe das Gefühl, dass gerade in die asynchronen Prozesse, die wir insgesamt haben, weil die Lobby für Kinder und Jugendliche insgesamt nicht so stark ist, durch CTC ein neuer Impuls hineinkommt, der auf keinem anderen Weg abgedeckt wird.
J. Hentschel: Ein Beispiel: Wir sind jetzt an der Stelle, dass die Befragung der Schülerinnen und Schüler ausgewertet sind und wir nun in einem Stadtteil schauen, welche Präventionsangebote auf der Basis der priorisierten Risiko- und Schutzfaktoren vor Ort greifen könnten. Die Befragung ist aber davon abhängig, dass die Schulen mitwirken. Und es ist ein hoher Aufwand, Überzeugungsarbeit zu leisten. Ein zentraler Moment war, die Schulberichte zur Verfügung zu stellen, die aber jeweils nochmal extra Kosten mit sich bringen. Doch auch innerhalb der Schulstruktur war der zeitliche Aufwand enorm: So haben wir viel Energie darauf verwendet, mit einzelnen Lehrkräften auszuhandeln, wie die Teilnahme an der Befragung genau aussieht. Das bindet Kapazitäten und macht man nicht mit einer halben Stelle nebenbei, daher haben wir die Arbeitskraft immer wieder mit zusätzlichen Kapazitäten aufgestockt.
Und was man wissen muss: Kernaufgabe von CTC ist die stadtteilbezogene Arbeit. Die Schulberichte und die Beratung dazu ist eine Aufgabe, der wir uns angenommen haben, die jedoch nicht Herzstück des CTC-Prozesses ist. Diesem geht es immer um den Stadtteil als Ganzes. Den Schulen haben wir einen Beratungstermin mit einer Person aus der Fachgruppe angeboten, um Orientierung zu geben, wie man als Schule auf der Basis des Berichts eine schulbezogene Präventionsstrategie erarbeiten kann. Da haben wir nur von zwei Schulen eine Rückmeldung bekommen. Und wir haben nicht die Kapazitäten,um nachzuhaken, woran das liegt. Wenn wir da ran wollten, müssten wir mindestens eine Stelle schaffen, die sich ausschließlich mit dem Thema Schule und CTC befasst, was einen großen Sprung bei der Implementierung von schulbezogenen Präventionsstrategien bedeuten würde, weil Schulen eine große Verantwortung im Kontext von Prävention haben. In der Realität erleben wir, dass für Präventionsbeauftragte und Schulleitungen das Thema eines unter Tausenden ist. Viele können nicht mehr als zwei, drei Präventionsprojekte jedes Jahr, z.B. zu Drogen oder zu Kriminalität, leisten. Da ist unheimliches Potenzial.
M. Schliessleder: Ein weiteres großes Thema generell ist, dass CTC, wenn es in Jugendämtern angesiedelt ist, als Querschnittsthema von Jugendhilfeplanung gedacht wird. In Augsburg ist dies nicht der Fall, aus vielerlei guten Gründen ist es beim Büro für Kommunale Prävention angesiedelt. Das erleben wir nicht immer als Vorteil, weil CTC an dieser Stelle besonderen Herausforderungen unterliegt, als Querschnittsthema im Bereich Jugendhilfe gedacht und ausgestaltet zu werden.
J. Hentschel: Natürlich ist es immer leichter, wenn es in den Fachbereichen, in denen ich die größtmögliche Wirkung erzielen kann, ein Ownership für das Thema gibt. Gerade in Verwaltungsstrukturen, wo noch wenig in hybriden Projektstrukturen gearbeitet, sondern stark in Silos gedacht wird.
Wie sind Sie mit dieser Herausforderung umgegangen?
J. Hentschel: Wir haben durch eine Art Trick versucht, diese Struktur aufzubrechen, sind dann aber an den Dienstwegen gescheitert: Wir wollten eine Stadtteilkoordination für CTC schaffen, die beim Amt für Kinder, Jugend und Familie, also bei unserem Jugendamt im Präventionsbereich angesiedelt ist. So dass dort die Stadtteilkoordination und bei mir das Übergeordnete gelaufen wäre nach dem Vorbild der schwedischen Stadt Malmö: In jedem Fachbereich hat man dort eine Person, die für CTC zuständig ist und unterschiedliche Regionen betreut mit den dazugehörigen Stadtteilen. Das fand ich einen klugen Gedanken, als Querschnitt zu arbeiten und zu denken. Aber so weit ist die Verwaltung leider noch nicht. Alle in der Fachgruppe fanden die Idee zwar gut. Als es jedoch darum ging, diese Stelle auszuschreiben, wurde das Konstrukt in Frage gestellt, weil nicht greifbar wurde, wie die Aufteilung in Fach- und Dienstaufsicht in
der Praxis ausgestaltet werden kann. Das ist in der Logik der Verwaltung absolut nachvollziehbar, bringt bei einem Prozess wie CTC jedoch große Hürden mit sich.
Was würden Sie anderen Kommunen auf den Weg geben, die CTC einzuführen wollen?
J. Hentschel: Was wir immer anführen ist, dass wir den Rückhalt in der Verwaltung, auf der politischen Ebene und auch im Stadtteil brauchen. Das erreiche ich, wenn
ich am Anfang viel Zeit in die Überzeugungsarbeit stecken kann, bevor man einen schnellen Beschluss herbeiführt. In Augsburg sind wir eventuell zu schnell ins
Handeln gekommen, nachdem die CTC-Stelle besetzt war. Man hätte länger miteinander aushandeln können, sollen, müssen, wie das Ganze im Endeffekt aussehen
und welchen Mehrwert CTC für die Kommune haben kann, wenn alle an einem Strang ziehen.
Grundsätzlich ist es absolut wichtig, dass das Verfahren an andere Planungsprozesse anknüpft und sich als Querschnittsthema versteht und man von Anfang an daran arbeitet, dass es zu einer Sache von allen wird.
M. Schliessleder: Ich reite immer wieder drauf rum, aber das ist grundlegend: die politische Legitimation. Wenn das nicht von ganz oben gewollt ist, dann kann man tun
und lassen, was man will, man wird nicht nur mit wenig, sondern mit gar keinen Ressourcen ausgestattet. Und was ganz entscheidend ist, wenn man sich auf den Weg
macht: