
Manuela Elsaßer, Beauftragte für Kinder- und Jugendbeteiligung, und Anette Liepe, Beteiligungskoordinatorin für Kinder und Jugendliche, berichten im Gespräch mit der Transferagentur für Großstädte über die Arbeit der Leitstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung des Bezirks Berlin-Lichtenberg. Die gelernten Sozialpädagoginnen machen deutlich, wie wichtig eine nachhaltige strategische Ausrichtung für eine gelingende Kinder- und Jugendbeteiligung in der Kommune ist.
Die koordinierende Leitstelle nimmt eine Schlüsselfunktion in der Zusammenarbeit mit verwaltungsinternen und –externen Akteur:innen ein.
Jugendbeteiligung strategisch verankert
Jugendbeteiligung ist in Berlin schon seit einigen Jahren ein wichtiges Thema. Bereits 2006 empfahl das Land Berlin den Bezirken, die Angebote für Kinder- und Jugendbeteiligung auszuweiten. Gleichzeitig brachte die Jugendgruppe „Zwix“, eine informelle Anlaufstelle für jugendliche Projektmacher:innen, die Idee einer Koordinierungsstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung in den Bürger:innenhaushalt ein, um die Interessen von Jugendlichen besser im Bezirk zu verankern. Das Engagement der Jugendlichen traf auf die Unterstützung des damaligen Jugendstadtrats, sodass 2008 in Berlin-Lichtenberg eine Leitstelle für Kinder- und Jugendbeteiligung gegründet wurde. Von Anfang an wurde dieser Leitstelle große politische Wertschätzung entgegengebracht. Dies zeigt sich unter anderem in der strategisch günstigen Ansiedlung direkt beim Jugendstadtrat, aus der eine Nähe sowohl zur Verwaltung als auch zur Politik resultiert. „Aufgrund dieser Ansiedlung haben wir gute Möglichkeiten, sowohl mit den anderen Bezirks-Stadträt:innen als auch mit den entsprechenden Ämtern in Kontakt zu sein“, erklärt Manuela Elsaßer.

Die Stelle für Kinder- und Jugendbeteiligung ist selbst das Kind eines beteiligungsorientierten BottomUp-Prozesses, deren Legitimation seit der Gründung fest mit den Interessen junger Menschen vor Ort verbunden ist.
Manuela Elsaßer, Beauftragte für Kinder- und JugendbeteiligungDiese Gründungsgeschichte zeigt, welchen Erfolg Engagement von Kindern und Jugendlichen entfalten kann, wenn es ernstgenommen wird. Genau hier setzt die Leitstelle ihre Arbeit fort. „An erster Stelle versuchen wir, eine offene Haltung für Beteiligung in den Institutionen voranzutreiben“, betont Manuela Elsaßer.
Um möglichst viele Kinder- und Jugendliche zu erreichen, hat sich die Leitstelle dazu entschieden, ihre Beteiligungsangebote nah an deren Alltag und Interessen auszurichten. „Wir glauben, dass Projekte, die der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen nahekommen, am erfolgreichsten sind“, erklärt Manuela Elsaßer.

Die große Herausforderung ist, demokratische Strukturen in hierarchische Systeme einzubauen und eine Haltung zu finden oder sie dahingehend zu verändern, dass Kinder und Jugendliche mehr Mitbestimmungsrechte haben.
Anette Liepe, Beteiligungskoordinatorin für Kinder und JugendlicheDeshalb setze die Leitstelle weniger auf langfristige Beteiligungsprojekte und verzichte bspw. auf ein Kinder- und Jugendparlament. „Kinder und Jugendliche erleben viele Umbrüche. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es für die jungen Menschen zugänglicher und pragmatischer ist, wenn sie über kurzfristige Projekte beteiligt werden. So können viele Jugendliche unkompliziert Selbstwirksamkeit erfahren und Demokratie lernen. Deshalb haben wir im ganzen Bezirk viele kleine Beteiligungsfeuer am Laufen“, fasst sie zusammen.
Jugendbeteiligung in der Praxis – Kreative Zugänge ausprobieren und alle Möglichkeiten nutzen
In Berlin-Lichtenberg wird viel ausprobiert, um Kinder und Jugendliche zu erreichen. „Wichtig ist, dass stets neue Wege und kreative Lösungen gesucht werden. Denn möglichst viele und unterschiedliche Kids zu erreichen, das ist die große Kunst“, schlussfolgert Manuela Elsaßer. Dazu hat sich die Leitstelle bspw. ein Karaoke-Mobil ausgedacht, das im Rahmen der U18-Wahlen umgesetzt wird und kulturelle und politische Bildung miteinander verbindet. Kinder und Jugendliche können sich bei einer Demokratielounge spielerisch mit politischen Themen sowie Fragen zur Demokratie auseinandersetzen und haben im Anschluss die Gelegenheit, Karaoke zu singen. „Niedrigschwellige Angebote phantasievoll umzusetzen und mit den Akteur:innen vor Ort auch mal um die Ecke zu denken und Neues auszuprobieren, ist ein zentraler Schlüssel, um unterschiedliche junge Menschen zu erreichen“, ist Manuela Elsaßer überzeugt.
Auch deshalb versucht die Leitstelle verstärkt, digitale Partizipationsangebote umzusetzen. Das Projekt Digitale Kinder- und Jugendbeteiligung (DKJB) hat zum Ziel, die Wünsche und Ideen der Zielgruppe im Bezirk bekannter und sichtbarer zu machen. Kinder und Jugendliche können sich im Rahmen kurzer Umfragen, sogenannter „Challenges“, über ihre eigenen Smartphones oder digitale Endgeräte, die die Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung gestellt bekommen, zu ihren Empfindungen und Wünschen äußern. Die dazu genutzten Tools wählen die Einrichtungen aus den Vorschlägen der Steuergruppe Datenschutz selbst aus.
„Wir haben die Kinder und Jugendlichen z. B. zu ihren Empfindungen während der Corona-Pandemie gefragt: Was habt ihr vermisst? Was lief auch trotz der Corona-Pandemie gut? Was hat euch in dieser Zeit gutgetan? Was wünscht ihr euch?“, zählt Anette Liepe auf. Die Ergebnisse der Umfragen werden der Politik regelmäßig im Jugendhilfeausschuss über Präsentationen sowie Videobotschaften vorgestellt oder auch mit den jeweiligen Fachgebieten wie z. B. der Schulaufsicht geteilt. „Bisher hatte die Politik immer großes Interesse und die Themen werden auch in die Fraktionen mitgenommen. Auch wenn dadurch bisher noch nicht die ganz großen Maßnahmen angestoßen werden konnten und es hier kein festes Prozedere gibt, wird die Verwaltung und Politik für die Themen und Stimmen der Jugendlichen sensibilisiert“, erklärt sie weiter.
Ein anderes großes Projekt der Leitstelle ist die Jugend- Bezirksverordnetenversammlung (Jugend BVV). Eine eintägige Veranstaltung, während der delegierte Jugendliche im Barcamp ihre Themen, Anliegen und Wünsche mit Politiker:innen diskutieren. Als Ergebnis der letzten Jugend BVV 2018 wurde bspw. auf Wunsch der Jugendlichen ein landesweiter Fonds für die Sanierung von Jugendclubs bereitgestellt. Zuletzt wurden die Jugendlichen über Jugendfreizeiteinrichtungen angesprochen und eingeladen. Um einen besseren Querschnitt erreichen zu können, erfolgt die Ansprache dieses Jahr über die Sekundarschulen und Gymnasien in Berlin-Lichtenberg. Durch die Zusammenarbeit mit der Koordinatorin an der Schnittstelle Jugendhilfe und Schule und den Schulrät:innen für die Oberschulen konnte der Kontakt zu allen weiterführenden Schulen hergestellt werden.
Kinder- und Jugendbeteiligung der Zukunft
Auch wenn in Berlin-Lichtenberg schon viel bewegt und erreicht wird, ist auch hier Kinder- und Jugendbeteiligung noch keine Selbstverständlichkeit. „Es würde uns freuen, wenn unsere Arbeit noch mehr gesehen wird“, betont Anette Liepe. Das Engagement, diesen Kulturwandel weiter voranzutreiben, zeigt sich in der Arbeit der Leitstelle deutlich und es existieren noch viele weitere kreative Ideen, um junge Menschen umfassend zu beteiligen.

Unser Wunsch ist, dass Politik und Verwaltung die Haltung entwickeln, dass Kinder und Jugendliche als Bürger:innen gezählt werden. Ein demokratisches Grundverständnis und Selbstwirksamkeitserfahrungen können gar nicht früh genug gemacht werden, da die Kinder und Jugendlichen unsere Zukunft sind.
Manuela Elsaßer, Beauftragte für Kinder- und JugendbeteiligungWeitere Informationen
Leitstelle für Kinder– und Jugendbeteiligung im Bezirk Lichtenberg: www.kjb-lichtenberg.de