„Es braucht wie immer ein robustes Mandat, eine klare Zuordnung und Koordination sowie eine breite Unterstützung, auch im eigenen Amt“

Monika Ripperger
Monika Ripperger, Stadt Frankfurt/Main, über das Programm „Frankfurt zaubert“, um Kinder und Jugendliche jetzt gut zu unterstützen
29.06.2021

Was hat die Corona-Pandemie für Auswirkungen auf den Lebensalltag von Kindern in Frankfurt am Main? Diese Frage haben sich die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses, der Fachausschüsse und Bildungsträger gestellt. Denn auch in der hessischen Großstadt sind Kinder und ihre Familien von großen Einschränkungen ihres normalen Alltags betroffen, mit all ihren Folgen für die psychosoziale Gesundheit. Schnell war daher den Beteiligten klar, dass für die Kinder ein kurzfristiges Maßnahmenprogramm umgesetzt werden muss. Damit dieses an den Bedarfen der jungen Menschen ausgerichtet ist, hat sich eine breite Allianz von Akteurinnen und Akteuren gebildet –  unter Federführung des Frankfurter Stadtschulamts. Was es damit auf sich hat, erklärte uns die Leiterin der Stabsstelle Pädagogische Grundsatzplanung Monika Ripperger im Interview. 

Was war der zentrale Impuls, der zur Kooperation der vielen Akteurinnen und Akteure geführt hat?
 
Wir organisieren im Jugendhilfeausschuss regelmäßig Fachforen im Beteiligungsformat, um an den relevanten strategischen Themen zu arbeiten. „Vom Kind aus denken“ ist eine Formel, die wir sehr ernst nehmen und an der wir Vorhaben immer wieder messen. Dass Kinder in der Pandemie verstummt sind und ihre Bedürfnisse keine Rolle spielen, das ist für uns eine erschreckende Erkenntnis. Daraus ist der Wunsch entstanden, etwas entgegenzusetzen und in dieser Stadt gemeinsam dafür zu sorgen, Kindern Gehör und Sichtbarkeit zu verleihen. 
 
„Vom Kind aus gedacht“ – Die Botschaften des Programms auf einen Blick
 
Kinder beteiligen, Ihnen eine Stimme geben und mitgestalten lassen!
Kinder wollen beteiligt werden und sich mit all ihren vielfältigen Möglichkeiten ausdrücken und ihre Erfahrungen und Erlebnisse teilen. Kinder brauchen einen Raum (sprachlich gestalterisch und in Bewegung), um auf ihre Ängste und Sorgen einzugehen. 
 
Kinder als Teil einer Gemeinschaft wahrnehmen!
Kinder wollen wieder in der Gruppe mit anderen Kindern aktiv sein. Mit den schrittweisen Öffnungen nehmen auch wieder die sozialen Kontakte zu. Kinder müssen die Bedürfnisse des sozialen Miteinanders wieder wahrnehmen, annehmen und ausdrücken dürfen. 
 
Kinder wollen ihre Lebensfreude teilen!
Kinder haben großen Spaß, sich im Freien zu bewegen, Sonne, Wind und Regen zu spüren, Freude allein und mit anderen zu erleben. Wenn die Schulen wieder geöffnet werden, spricht nichts dagegen, außerschulische Angebote zu öffnen und wahrzunehmen, um außerhalb vom Klassenzimmer und ganz ohne Leistungsdruck die kindliche Lebensfreude nach der langen Zeit der Pandemie zurückzuerobern. 
 
Neben der Gruppe der Kinder sollen auch die Fachkräfte unterstützt werden. Geplant sind Angebote und Qualifizierungen, die vor allem die Themen Kinder beobachten, mit Kindern sprechen, Partizipation von Kindern, Erziehungspartnerschaft mit Eltern und Kinderschutz abdecken. 
 
Woher stammte diese Erkenntnis?
 
Ausgangspunkt unseres Programms war das Fachforum des Jugendhilfeausschusses zu den „Auswirkungen von Corona auf die Altersgruppe der Kinder“ mit der KiCo-Studie. (Kurz vorher hatte im gleichen Kreis schon ein Fachforum zu den „Auswirkungen von Corona auf junge Menschen“ mit der JuCo-Studie stattgefunden.) Wir haben das Gehörte in einer Dialogphase mit den eigenen Erfahrungen abgeglichen und an der Frage gearbeitet: Was brauchen Kinder jetzt? Was wird ihnen nach der Pandemie guttun? Alle Ergebnisse der Veranstaltung findet man in unserem Grundsatzpapier. Um das virtuelle Fachforum etwas aufzulockern, hatten wir die Berliner Kinderbuchautorin Nadia Budde eingeladen, die den Teilnehmenden das Buch „Eine Woche drin“ vorlas und etwas zur Entstehungsgeschichte erzählte. Dieser Impuls wirkte sehr stark: Zum einen war die Perspektive der Illustratorin und Autorin leichter und trotzdem ernsthaft. Zum anderen war damit auch ein wohltuender humorvoller, kindlicher Zugang geschaffen. Die Antwort auf die Frage, wie man dieses schwere Thema jetzt mit Kindern bearbeiten kann, lag schnell auf der Hand: Frankfurt ist reich an kulturellen Angeboten und die Stadt hat nicht nur Hochhäuser, sondern auch viele Plätze, Parks, Wälder und Wiesen. Diesen Reichtum wollten wir nutzen.
 
Wie ging es dann weiter?
 
Unsere Trägerlandschaft nennen wir gerne bunt und vielfältig, auf jeden Fall sind alle kooperationsgeübt. In einer anschließenden dreiteiligen Workshopreihe haben wir den Kreis erweitert und zum Beispiel das Junge Museum, den Sportkreis, die Stadtbücherei, die Musikschule, die Wegscheide Stiftung einbezogen, um ein eigenes Programm zu entwickeln. Insgesamt hat dieser Prozess acht Wochen gedauert und ist mit viel Herzblut genährt. Ein Zitat eines Teilnehmenden bringt es auf den Punkt: „Toll, dass Sie uns alle hier versammeln und wir zusammendenken, wie man Räume schaffen kann, die wieder ein bisschen Unbeschwertheit bringen.“
 
Gab es auch Herausforderungen?
 
Was uns am meisten beschäftigt, sind: die Finanzierung, die aktuelle Überlastung, fehlende Personalressourcen und Sicherheiten. Das Programm lässt sich nicht mit den gewohnten Abläufen organisieren und braucht machtvolle Unterstützung und/oder Ermächtigung. Es muss schnell gehen und soll niedrigschwellig abrufbar sein. 
Wir haben uns letztendlich dafür entschieden, dass die Koordinations- und Serviceleistung dafür im Stadtschulamt liegt. Wir versuchen dem Programmstart Vorrang einzuräumen und nutzen Zwischenlösungen, z.B. beim Aufbau der zentralen Homepage. Die Anbieter stricken derweil an ihren Programmen, hier liegt die Herausforderung bei der Fokussierung der Angebote. Wir waren uns im Prozess einig, es soll nicht mehr vom Gleichen sein, sondern die spezifische Situation beantworten. Alle Träger sind aufgefordert, ihre Konzepte zu überarbeiten: Was muss in einer Freizeit gemacht werden, damit die formulierten Problemlagen beantwortet werden? Wie kann sich die Wirksamkeit entfalten? Welche Themen sind bei der Fachkräftequalifizierung jetzt wichtig?
 
Monika Ripperger

Es macht viel Freude zu erleben, dass alle zusammenlegen, es viele wertvolle Beiträge gibt, das Ganze wachsen darf.

Monika Ripperger, Leiterin der Stabsstelle Pädagogische Grundsatzplanung der Stadt Frankfurt am Main
Wie werden Koordinierungsstelle und Programm finanziert? 
 
Die Koordinierungsstelle konnten wir durch eine Umwidmung schaffen und ist der Stabsstelle Bürgerservice und Projekte zugeordnet. Das Programm und die damit verbundenen Aufgaben für Träger werden über alle vorhandenen Gremien kommuniziert und multipliziert.
 
Alle vorhandenen Finanzierungslinien des Stadtschulamtes werden um das Programm erweitert, sodass vorhandene Mittel voll ausgeschöpft werden können. So manches Angebot steht noch im Haushalt und kann jetzt reaktiviert werden, wie beispielsweise der Museumsbus für Kindergruppen. 
 
Zur Vorfinanzierung zusätzlicher Angebote stehen zunächst 500.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Wir gehen davon aus, dass das Corona-Aufholpaket der Bundesregierung demnächst abrufbar ist. Über das Landesprogramm „Löwenstark“ erhalten Schulen bereits zusätzliche Mittel und können Angebote einkaufen. Wir machen also einen Anfang.
 
Was würden Sie anderen Kommunen auf den Weg geben, die Ähnliches auf die Beine stellen wollen?
 
Gerade hat der Bundesfinanzminister in einer Pressekonferenz gesagt: „Fortschritt ist möglich, wenn man sich beharrlich darum kümmert und niemals aufgibt.“ Da ist was dran! Es braucht aber wie immer ein robustes Mandat, eine klare Zuordnung und Koordination sowie breite Unterstützung, auch im eigenen Amt.
 
Mit den virtuellen Konferenzen ist es einfacher denn je, Menschen kurzfristig zusammenzubringen, um an dringlichen Themen zu arbeiten. Wir haben uns dazu eine Moderatorin eingekauft, damit wir selber auch gut mitarbeiten können.
 
Die Ergebnisse müssen nachbearbeitet werden, damit alle mit ihren Aktivitäten daran anknüpfen können. Das Programm muss insgesamt leicht und sympathisch sein. Das spiegelt sich zum Beispiel in der Wortmarke „Frankfurt zaubert“ wider.