
Ob beruflich oder privat – auch ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie bestimmt das Corona-Virus noch maßgeblich unseren Alltag. Kitas und Schulen waren über Wochen geschlossen, das Lernen auf Distanz und im digitalen Raum wurde zur Normalität, außerschulische Angebote fielen oft gänzlich weg. Was macht das mit unseren Kindern und Jugendlichen, mit ihren Eltern, mit den pädagogischen Fachkräften sowie Lehrerinnen und Lehrern? Welche Sorgen und Nöte haben sie? Und was lief vielleicht sogar besser im vergangenen Jahr? Diese Fragen hat das Team der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft umgetrieben. Entstanden ist daraus die umfassende Studie „Corona und Bildung“, an deren Umsetzung viele verschiedene Ämter der Stuttgarter Verwaltung beteiligt sind.
Vor knapp einem Jahr stand in Stuttgart die Planung des dritten Bildungsberichts an. „Wir haben zusammengesessen und überlegt, wie wir das Thema Übergang in Ausbildung, Studium und Beruf aufbereiten“, erklärt Dr. Kornelius Knapp, Leiter der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft, „mit dem Fazit: Interessiert gerade niemanden! Und die Daten dafür sind auch nicht aussagekräftig, wenn der Bericht dann auf dem Tisch liegt.“ Schnell entstand die Idee, stattdessen zu fragen: Was macht der Lockdown eigentlich mit dem Bildungsbereich? Und welche Konsequenzen hat die Pandemie für die Kinder und Jugendliche? Welche Herausforderungen bedeutet das für unsere Arbeit in der Verwaltung? Schnell war auch die Bürgermeisterin für Bildung und Jugend überzeugt, aber mit dem Hinweis, „keinen Schnellschuss abzufeuern, sondern lieber gut dokumentierte Ergebnisse für 2022 aufzubereiten als halbseidene im Herbst 2020“, so Knapp. In einem Brainstorming der AG Bildungsberichterstattung wurden Thesen aufgestellt, Themen gesammelt, methodische Fragen diskutiert und operative Aufgaben verteilt. Insgesamt acht Module umfasst die Studie heute:
Modul 1: Chronik von März 2020 bis Ende Februar 2021
Darstellung der Fallzahlen und der Maßnahmen (z.B. Waren Bildungseinrichtungen offen/geschlossen?)
Modul 2: Qualitative Sozialraumbetrachtung
Fragen an Bildungsakteurinnen und -akteure in 4 Stadtteilen zur Wahrnehmung der akuten Situation und Veränderungen (z.B. Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf? Welche Innovation möchten Sie beibehalten?)
Module 3-5: Befragung unterschiedlicher Personengruppen
Online-Fragebogen an Eltern, Lehrkräfte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, pädagogische Fachkräfte wie Schulsozialarbeit, pädagogische Fachkräfte in Jugendhäusern, Befragungszeitraum von Dezember 2020 bis Januar 2021
Modul 6: Kinder und Jugendliche
Telefoninterviews mit Jugendlichen im Alter von 14 bis 16 Jahren zur Frage „Was lief gut, was nicht?“, geplant ist, Workshops mit jüngeren Kindern zu machen, sobald es die Situation an den Grundschulen erlaubt, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Jugendamt
Modul 7: Verbleibserhebung in Abschlussklassen Sekundarstufe I
Thematisch verknüpft mit dem Sonderband Abschlussklassen aus der Bildungsberichterstattung, Lehrkräftebefragung „Wie finden die Jugendlichen der Klassen 9/10 ihren Weg?“, Zeitreihen der Schuljahre 2018/19 bis 2020/21 lassen sich vergleichen (Gab es Veränderungen? Die Vermutung liegt z.B. nahe, dass die Schule länger besucht wird, weil Ausbildungsplätze fehlen)
Modul 8: Fundament
Zusätzliche Datensätze werden eingespeist, die regulär erhoben werden (z.B. städtisches Sozialmonitoring, Verteilung der Schülerinnen und Schüler in Klasse 7, Übergangsquote Grundschule auf verschieden Schularten), dient der Untermauerung der Befunde aus den anderen Modulen
Die Klammer bilden übergreifende Themen wie:
Kontaktaufnahme (z.B. Zusammenarbeit von pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften mit Eltern), Digitalisierung (Welche Lösungen wurden gefunden? Was funktioniert?), Befinden während/nach dem Lockdown
Ein Gemeinschaftsprojekt…
Eine so breit angelegte Studie ist nicht allein zu stemmen. So sind nicht nur viele verschiedene Ämter beteiligt wie Jugendamt, Schulverwaltungsamt, das Statische oder das Staatliche Schulamt, sondern auch die Volkshochschule, das Jobcenter und die Arbeitsagentur. Die Fäden der Studie laufen bei Bildungsmonitorerin Sarah Günster zusammen. Keine einfache Aufgabe, auch deshalb, weil Stuttgart sich bewusst dafür entschieden hat, qualitative und quantitative Daten zu erheben.
…mit echtem Interesse
„Quantitative Daten brauchen eine Interpretation und damit wir uns die nicht alleine aus dem Ärmel schütteln, sondern mit der Perspektive aus der Praxis koppeln, sind die sozialräumlichen Interviews Gold wert“, erklärt Abteilungsleiter Knapp. Das sei auch später für die Kommunikation der Ergebnisse wichtig, weil sich die Leute darin wiederfinden. „Die Auswertung wird daher nicht ganz trivial sein, aber weitreichend.“ Sarah Günster ergänzt: „Die Mühe hat sich aber schon jetzt gelohnt. Wir haben hier einen Nerv getroffen und einen Bedarf befriedigt, sich zu melden und zu sagen, was die drängenden Themen sind.“
…mit hoher Reichweite
Das zeigt sich vor allem daran, wieviel Rücklauf es gab. Über 2.000 Eltern haben sich zurückgemeldet. 500 Familien haben den Fragebogen in einfacher Sprache ausgefüllt. „Das war eine große Überraschung und hat uns sehr gefreut, denn wir mussten aus Zeitgründen darauf verzichten, den Fragebogen in andere Sprachen zu übersetzen“, sagt Günster. „Wenn etwas nicht funktioniert hat, haben die Menschen sogar direkt den Kontakt zur Abteilung gesucht.“ Und selbst der Draht zu den Jugendlichen sei erstaunlich kurz gewesen.
… mit Fokus
„Unser Anliegen ist es, so schnell wie möglich, aber so sorgfältig wie notwendig zu arbeiten“, fährt Günster fort. So sollen die Eltern, die zu Weihnachten an der Befragung teilgenommen haben, zeitnah eine Rückmeldung bekommen in Form von Thesen, die das Team der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft formuliert.
Sorgfältig heißt, dass nicht nur beim Studiendesign Schwerpunkte gesetzt wurden, um ein so uferloses Projekt gut umsetzen zu können. So konnten aus Ressourcengründen nicht die pädagogischen Fachkräfte aus Kitas befragt werden. Auch von der Vorstellung, zu jedem Modul eine Publikation zu veröffentlichen, haben sich die Beteiligten gelöst. Geplant ist nun, themenspezifisch heranzugehen und sich zunächst den Fragen zu widmen, die am stärksten drängen, wie z.B. die Digitalisierung. Ziel sei es, die Diskussionen rund um Bildungsthemen aktiv zu gestalten und nicht nur zu reagieren, so Kornelius Knapp. Dazu gehöre, die entsprechenden Gremien regelmäßig zu informieren und anhand der Auswertung der Daten und Interviews konkrete Maßnahmen zu entwickeln.
…mit Zukunft
Bildung ist in Stuttgart nicht nur Herzens-, sondern vor allem Chefsache. „Wir haben das große Glück, dass uns die Rückendeckung der Bürgermeisterin sicher war“, sagt Abteilungsleiter Knapp. Und das merkt man nicht nur daran, dass so eine große eine umfangreiche Studie aufgegleist werden kann. Die Verstetigung der Stelle von Sarah Günster über den Herbst hinaus spricht dafür wie auch die Tatsache, dass die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft wächst.
Alle Informationen zu weiteren Projekten der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft finden Sie auf der offiziellen Website.