300 Beteiligte, zweieinhalb Jahre Vorbereitung und ein Ziel

Wie der „Campus Marxloh“ in Duisburg starke Menschen im Quartier fördern will
Glas mit dem Aufkleber "Made in Marxloh" im Stil eines Ortseingangsschildes

Bildungsangebote an den Mann und die Frau zu bringen, ist Duisburg ein wichtiges Anliegen. Die Stadt an der Ruhrmündung zum Rhein ist emsig und erfahren beim Thema Bildung. So hat die gut 500.000 Einwohner-Stadt nicht nur eine jährlich stattfindende Bildungskonferenz etabliert, die richtungsweisend für die Aktivitäten in der Bildungsregion ist. Die ehemalige „Lernen vor Ort“-Kommune ist ebenso ein riesiges Stadtentwicklungsprojekt angegangen, bei dem sich mehr als 300 Menschen beteiligten und das zweieinhalb Jahre Zeit für die vorbereitende Beteiligung in Anspruch nahm: den Campus Marxloh. 

Marxloh steht – wie viele Stadtteile in deutschen Metropolen – vor einigen Herausforderungen. Das gilt vor allem für die Einwohnerschaft: Sie besteht aus mehr als einem Viertel aus Zugewanderten, Menschen mit wenig bis gar keinem Anspruch auf Sozialleistungen, Menschen im SGB II-Bezug und Menschen ohne festen Job. „Marxloh hat nicht immer die beste Außenwirkung für Leute, die nicht aus Duisburg kommen. Auch deshalb war man sich gesamtstädtisch einig, dass wir da entgegenwirken müssen – und zwar indem Marxloh als Bildungsstandort eine andere Priorität erhält“, erläutert Klaus Peter Müller, Leiter des Büros Bildungsregion Duisburg.
 
Auch deswegen bekommt der ehemalige Arbeiterbezirk mit knapp 21.000 Einwohnerinnen und Einwohnern nun ein neues, offenes Haus, das im Quartier die Rolle eines „Community Centers“ innehaben soll. Ziel dabei ist es, nicht nur den Menschen im Bezirk einen physischen Treffpunkt zu beschaffen – vor allem sollen ausgehend vom Campus Bildungs-, Qualifizierungs- und Integrationsangebote zur Verfügung stehen. Den Rahmen setzt ein integratives Stadtentwicklungskonzept, das den Stadtteil bis 2022 als Bildungsstandort festigen soll.  
 

Je konkreter die Überlegungen wurden zur Ausgestaltung des Gebäudes, desto überzeugter waren die, die anfangs etwas skeptisch auf die Sache geschaut haben.

Klaus-Peter Müller, Leiter des Büros Bildungsregion Duisburg
Karen Dietrich, Stadtteilmanagerin in Duisburg-Marxloh (bei der EG DU Entwicklungsgesellschaft Duisburg mbH) steuerte zusammen mit Ute Hilmer vom Amt für Stadtentwicklung und Projektmanagement der Stadt Duisburg den Entwicklungsprozess. Dabei unterstützt wurde sie von „steg NRW“, ein beauftragtes Planungsbüro aus Dortmund. Auch Klaus-Peter Müller, als Leiter des Duisburger Bildungsbüros, war am Prozess der inhaltlichen Konzeptentwicklung und in der Akteursbeteiligung maßgeblich beteiligt. „Durch ‚Lernen vor Ort‘ durfte ich Beispiele wie das Bremer Quartiers-Bildungszentrum (QBZ) in Gröpelingen kennenlernen. Das dortige Vorgehen und die erzielten Erfolge haben mich überzeugt von der Idee, Marxloh mit einem außerschulischen Bildungsort zu stärken“, so Müller. 
 
Der Startschuss fiel mit dem Aufruf des Landes an die Kommunen, im Rahmen der Initiative „Starke Quartiere – Starke Menschen“ (ehemals „Soziale Stadt“) Projektideen zu kreieren. Die Stadt Duisburg ist dem Aufruf gefolgt, hat 2016 in einem amtsübergreifenden Prozess ein Integriertes Stadtteilentwicklungskonzept (ISEK) für Marxloh ausgearbeitet und Anfang 2017 beim Land NRW eingereicht. Parallel wurde mit der Konzeptentwicklung und mit dem Beteiligungsprozess für den Campus Marxloh begonnen. 2017 wurde dem ISEK vom Land zugestimmt, so konnte mit der Ausarbeitung des detaillierten Förderantrags für das Campusprojekt gestartet werden. Bereits 2016 liefen Akteursbeteiligungen im Stadtteil an, die im September 2018 in einer Machbarkeitsstudie mit Raum- und Nutzungskonzept mündeten. Im Jahr 2019 diente diese Studie als Grundlage für die Ausschreibung eines Architekturwettbewerbs, bei dem aus sieben Einreichungen ein Siegerentwurf hervorging: as-if Architekten Berlin, Capatti Staubach Landschaftsarchitekten Berlin. Ab diesem Zeitpunkt standen der weitere Prozess der Entwurfs- und Ausführungsplanung sowie der Bauantrag an - bald wird mit einer Baugenehmigung gerechnet. Der Zeitplan sieht eine Fertigstellung im Jahr 2022 vor. Die Corona-Pandemie führte bereits zu Verzögerungen im baulichen Prozess, die gegebenenfalls noch eingeholt werden können. Die Vorbereitungen zum Bau haben bereits begonnen: Ein Bestandsgebäude wurde bereits entfernt, damit im Herbst 2020 der erste Spatenstich gesetzt werden kann.
 

Der Campus Marxloh soll ein One-Stop-Shop für Bildung und Integration werden. 

Karen Dietrich, Stadtteilmanagerin in Duisburg-Marxloh
Wenn ich neu im Stadtteil bin, soll der Campus der Ort sein, bei dem ich weiß, dass mir geholfen wird. Gleichzeitig ist er aber nicht der einzige Ort. Vielmehr existiert er in Kooperation und Abstimmung mit allen anderen Bildungseinrichtungen im Stadtteil. Sodass wir auch bei neuen Projekten nicht in Konkurrenz, sondern Kooperation kommen."
 
 
„Die eigentliche Arbeit der Umsetzung und die Einbindung der Menschen vor Ort wurde von der EG DU gemacht“, erklärt Klaus Peter Müller. „In Nordrhein-Westfalen gab es von Anfang an die Bemühung, auch in der gezielten Städtebauförderung integrierte Konzepte zu schaffen. Das ist hier Tradition und das Ziel in all unseren Konzepten. Die EG DU arbeitet aus dieser Tradition heraus also sehr eng mit den Fachbereichen der Verwaltung zusammen, um eben den integrierten Ansatz zu erreichen“, erklärt Karen Dietrich. In einem vorgeschalteten Beteiligungsprozess wurden Akteure im Stadtteil – die Gesamtschule, Bewohnerinnen und Bewohner von Marxloh sowie Bildungsakteure – befragt, wie eine Kooperation im Alltag konkret aussehen kann.  Als Ergebnis der Beteiligung sind fünf Hauptstränge entstanden, die so in einem gemeinsam genutzten Campus abgebildet sein sollen: Bildungs(Lern-)standort, Sport und Bewegung, Sozialberatung- und begleitung, Gesundheit und Ernährung sowie Talentförderung. Zusammen mit inzwischen 35 Organisationen ging die Planung in die Raumaufteilung. 
 
Nach dem abgeschlossenen Architekturwettbewerb im Mai 2018 ging die Projektsteuerungsgruppe in zwei neue Arbeitsgruppen auf: die AG Nutzer und die AG Betrieb. Letztere organisiert hauptsächlich organisatorische, betriebliche Aspekte, während die AG Nutzer auf der inhaltlichen Ebene der geplanten Angebote sowie die Werte und Darstellung des Hauses im Rahmen von Workshops erarbeitet. Aus der Nutzer AG ging die Idee hervor, einen Namenswettbewerb für das neue Bildungszentrum zu veranstalten, damit die Ortsteilbewohnerinnen und -bewohner den Namen ihres neuen Gebäudes selbst geben können. Im Herbst 2020 wird das Ergebnis bekanntgegeben. Beide AGs sind oft mit den gleichen Akteurinnen und Akteuren besetzt, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das Bildungsbüro ist in beiden AGs ein zentraler Partner, der u.a. bei der Entwicklung des Trägerkonzepts wichtige Unterstützung leistet. 
 

Es ist sehr wichtig frühzeitig und immer wieder die Förderkulissen mit den Zielen vor Ort abzugleichen und – soweit möglich – in die gleichen Bahnen zu lenken.“

Karen Dietrich, Stadtteilmanagerin in Duisburg-Marxloh
Damit der Campus – sobald er 2022 fertig gestellt ist – mit Leben gefüllt ist, arbeitet Karen Dietrich bereits seit Jahren als Stadtteilmanagerin mit vielen anderen Bildungsakteurinnen und -akteuren im Stadtteil zusammen. „Wir können uns beispielsweise sehr gut gegenseitig mit den kommunalen Koordinatorinnen und Koordinatoren der Bildungsangebote für Zugewanderte unterstützen. Wir arbeiten ähnlich und in dem Prozess geht es um die Vernetzung und Verlinkung von Bildungsakteurinnen und -akteuren. Gerade arbeiten wir an einem Projekt, dass die Elternarbeit stärkt. Sodass wir diese Arbeit auch vor Ort in den Räumen des Campus künftig stattfinden lassen können.“ 
 
Ziel ist, dass der Campus im Jahr 2022 steht. Damit geht ein langjähriger, komplexer Beteiligungs- und Planungsprozess zu Ende, wenngleich die Arbeit vor Ort weitergeht.  Doch wie kann ein solches Vorhaben erfolgreich sein? Karen Dietrich sagt: „Frühzeitige Beteiligung und Einbindung von Vielen ist sehr relevant. Die amtsübergreifenden Sitzungen – auch mit Externen – und die Vernetzung von Verwaltung und Stadtteil tragen das Vorhaben langfristig und stabil.“ 
 

Mehr Informationen zum Campus Marxloh finden Sie hier:

Duisburg.de - CAMPUS MARXLOH

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